Selbstinszenierung in den Sozialen Medien
Zwei Meldungen sind mir in den letzten Tagen besonders ins Auge gefallen: Einmal der Hype um die Netflix-Doku mit Marie Kondo – jetzt wird also plötzlich überall aufgeräumt. Und dann gab es kürzlich eine Meldung der Malisa-Stiftung – eine Stiftung von Maria und Elisabeth Furtwängler. Diese Stiftung stellt aktuelle Studienergebnisse über die weiblichen Selbstinszenierung und Geschlechterdarstellungen in den Sozialen Medien vor. Hier einige ausführliche Informationen zu dieser interessanten Studie:
Ergänzend hier auch noch ein kurzer TV-Beitrag vom WDR zum Thema: Zurück in die 50er? Das Frauenbild in den sozialen Medien (verfügbar bis 7.2.2020)
Da verbreiten sich gerade also x-fach Fotos von nach Marie-Kondo-Methode sortierten Schränken und Schubladen und gleichzeitig lese ich u.a., dass Frauen in den Sozialen Medien nicht nur zahlenmäßig unterrepräsentiert sind, sondern sich vorrangig mit eher veraltet anmutenden „Heim- und Herd-Stereotypen“ befassen, wie Beauty, Basteln, Nähen, Kochen. Ich möchte ergänzen: Nun kommt auch noch T-Shirt falten und Socken sortieren dazu.
Natürlich sind einzelne Tipps von Marie Kondo sehr praktisch, auch ich profitiere von den diversen Falttechniken und habe so mehr Übersicht über mein Zeug. Aber ich bemerke, wie mir trotzdem schlecht wird. Denn es ist noch nicht so lange her, da ging es nicht um Selbstinszenierung in Sozialen Medien und schon gar nicht um so etwas wie Freiheit und Selbstbestimmung.
Rückblende: Das Rollenklischee der 60er- und 70er Jahre
Ich bin in den 60er und 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts aufgewachsen. Damals war das Frauenbild noch sehr eingeengt. Irgendwelche Klicks und Likes gab es nirgendwo für all die Frauen, die ohne jede Entlohnung jahrzehntelang den Haushalt in Ordnung hielten, während die Herren der Schöpfung Zuhause keinen einzigen Finger krumm machten. Im Gegenteil. Mich hat das schon als Kind gestört – auch zu Zeiten, in denen ich die Wörter „Emanzipation“ und „Gleichberechtigung“ noch nie gehört hatte. In der Schule gab es nicht nur Kochunterricht, sondern so etwas abgedrehtes wie „Haus- und Wäschepflege“. Selbstverständlich hatten die Mädchen Häkelunterricht, während die Jungen sich im Technikunterricht befanden. Ich habe schon damals nicht eingesehen, warum ich mich als Mädchen mit Aufräumen und Putzen beschäftigen sollte, während die Jungen viel spannendere Dinge außerhalb der Wohnung machten und so der damals engen Welt von schmutzigem Geschirr, verstaubten Regalen, zu füllenden Waschmaschinen und Bergen von Bügelwäsche entfliehen konnten.
Wer sich näher für die 60er- Jahre und das damalige Rollenbild interessiert, hier ein Film dazu: „Zeitreise in die 60er Jahre“
Achtsamkeit und Minimalismus als Selbstbestimmung
Ruckzuck…
Zum Glück ist das alles schon sehr lange vorbei. Mein Haushalt ist heute ruckzuck erledigt. Minimalismus ist für mich heute ein Lebensstil, der mir mein Leben vorrangig bequemer macht. Beeindruckend, wenn Marie Kondo so gerne aufräumt. Ich mochte Aufräumen noch nie, früher nicht und heute nicht. Aufräumen war nie Selbstzweck. Die motivierende Herausforderung besteht für mich darin, solche Arbeiten möglichst komfortabel und ohne größeren Aufwand zu erledigen. Und: Zeug, das ich nicht besitze, brauche ich nicht abstauben und nicht aufräumen. Sehr schön. 🙂
Übersicht…
Ich habe es zudem gerne übersichtlich. Am besten erhole ich mich in einer reizreduzierten Umgebung, in der meine Sinne zur Ruhe kommen können. Daher genieße ich freie Flächen und wenig herum stehende Dinge. Achtsamkeit ist für mich in diesem Zusammenhang wichtig, damit der Minimalismus nicht auf der dinglichen Ebene stecken bleibt. Minimalismus ist mir wichtig, damit die Achtsamkeit nicht auf der geistigen und körperlichen Ebene stecken bleibt, sondern ganz konkrete und praktische Resonanz im Alltag findet.
Freiheit…
Minimalismus ist für mich weit mehr als Entrümpeln und aufgeräumte Sockenschubladen. Minimalismus ist für mich Freiheit und Selbstbestimmung. Beispielsweise die Freiheit, nicht in irgendwelche Rollenklischees rein gezwängt zu werden, schon gar nicht mich freiwillig da hinein zu begeben. Vielmehr geht es mir darum, mein eigenes Leben selbstbestimmt gestalten zu können und das genieße ich wirklich sehr.
Minimalismus als Selbstbestimmung in der Küche
Minimalismus ist dann Selbstbestimmung für mich, wenn ich mich nicht an gesellschaftlichen Konventionen, Moden und Trends orientieren muss, sondern mir den befreienden Luxus erlauben kann, genau die Dinge zu besitzen, die ich mag und brauche. Dass weniger Dinge auch weniger Ressourcenverbrauch für unsere Umwelt bedeutet, freut mich um so mehr.
“ während die Herren der Schöpfung Zuhause keinen einzigen Finger krumm machten. “
Ja, mussten die nicht so oft, aber sie bekamen eine Staublunge, mussten 6 Tage in der Woche (Samstag war Arbeitstag, e sgalt die 48 Stundenwoche) bis zur Erschöpfung arbeiten, weil es viele Maschinen noch nicht gab, fielen vom Dach oder starben anders auf dem Bau. Am Ende starben sie 10 Jahre vor ihren Frauen.
Ich finde die Schilderung daher einseitig. Damals gab es Stände und Rollen. Wer sagt, dass die Männer damit glücklich waren ?
Hallo Thorsten, wenn solche Arbeitsbelastungen vorlagen, hast du sicher Recht, aber der 8-Std.Tag hatte sich Mitte der 60er Jahre bereits durchgesetzt – und es gab nicht nur die arbeitenden Väter, sondern auch Söhne…. Und es war dann leider auch nicht nur die Arbeit an sich, sondern auch z.B. mangelnde Anerkennung, die noch fehlende Gleichberechtigung etc.
Ok, ist ja alles zum Glück lange vorbei, heute gibts wundervolle Väter, auch solche, die als Alleinerziehende Haushalt, Kindererziehung und Beruf phantastisch bewältigen. Ich habe da in den letzten 10-20 Jahren selbst viele wunderbare konkrete Beispiele erlebt.
Liebe Gabi, herzlichen Dank für diese klaren und eindringlichen Worte. Re