Minimalismus – einfach leben beim Älter werden

Den persönlichen Lebensstil vereinfachen, Unnötiges loszulassen – Minimalismus ist nicht nur für jüngere Menschen ein Thema, sondern gerade dann auch relevant, wenn wir älter werden – und wir werden nunmal alle älter – früher oder später.

Meine Erfahrungen bislang sind: Die Zufriedenheit oder Unzufriedenheit im Alter scheint nur begrenzt von der Menge an Geld abzuhängen, die diese Menschen zur Verfügung haben – sofern die nötigste Existenz gesichert ist. Was sehr unterschiedlich ist, ist die Art und Weise, wie diese Menschen – mal ganz unabhängig vom Geld – ihren Alltag gestalten.

Wesentliche Bereiche, die ich mir dabei aufgefallen sind:

  • Wohnen
  • Vereinfachen
  • Zwischenmenschliche Beziehungen und Begegnungen
  • persönliche Interessen und Hobbys
  • Bewegung

Wohnen:

Der Mensch ist bekanntlich ein Gewohnheitstier. Jahre oder gar jahrzehntelang in der gleichen Wohnung, dem gleichen Haus, der gleichen Umgebung zu wohnen bedeutet, im Bedarfsfall ist ein evtl. notwendiger Wechsel mühsam.

So ist ein Haus beispielsweise für eine Familie mit Kinder ggf. schon sehr praktisch. Aber sind diese Kinder erwachsen, ist das Haus bereits reichlich groß für 2 Personen. Ist dann irgendwann einer der beiden Ehepartner vielleicht sogar gestorben, steht der übrig gebliebene Partner da mit dem großen Haus – und oftmals genau dann, wenn die Versorgung und Instandhaltung eines solchen Hauses mühsam wird. Nicht zu reden, von all den Treppenstufen, die irgendwann vielleicht nur noch mühsam zu überwinden sind.
Schwierig kann es selbst mit der Mietwohnung werden: Auch eine überschaubare 3-4-Zimmer-Wohnung ist relativ groß und teuer, wenn die Kinder ausgezogen sind, der Partner verstorben ist. Miete und Betriebskosten müssen für die gesamte Wohnung bezahlt werden, es sind immer noch die gleiche Anzahl an Fenstern, die geputzt werden müssen und die Energiekosten sind gestiegen: Selbst bei sparsamen Umgang bedeutet mehr Wohnfläche mehr Heizkosten.

Ich habe zwar ohnehin kein Haus und wohne zur Miete. Aber selbst dann, wenn ich ein Haus hätte, würde ich mir rechtzeitig überlegen, ob ich wirklich irgendwann im Alter dort noch alleine wohnen möchte (oder muss). Auch ein gemietete Wohnung muss zur jeweiligen Lebenssituation passen. Eine noch so schöne Wohnung, aus der ich z.B. im Alter wegen Geh-Einschränkungen nicht mehr herauskommen sollte, wäre für mich der absolute Supergau. Da würde ich es für mich im Zweifelsfall noch deutlich humaner finden, im Altenheim per Rollstuhl in den Garten geschoben zu werden. Auch fußläufig die wichtigsten Einkäufe erledigen zu können, ist für mich ein wesentliches Element für Lebensqualität. Sich für jeden kleinen Einkauf in ein Auto setzen zu müssen, ist einschränkend – außerdem kommen zu den Kosten für die relativ große Wohnung, dann ja auch noch die Kosten für das Auto dazu.

Vereinfachen

Wer kennt das nicht: Es sammelt sich halt im Laufe eines Lebens doch dies, das und jenes an und je länger man bzw. frau lebt, desto mehr kann es werden. Gerade bei der älteren Generation wundert es mich schon manchmal, wieviele Dinge sich dort im Laufe des Lebens angesammelt haben. Natürlich ist vieles erinnerungsbehaftet, haben einige Menschen auch die Notzeiten der Kriegs- und Nachkriegszeiten erlebt, aber das ändert nichts daran, dass viele Dinge, viel Energie binden. Braucht es wirklich noch das gute 100-teilige Service mit Goldrand, die endlosen Mengen an Bettwäsche? Was ist mit den vielen Büchern, die ich sowieso nicht mehr lese? Was mit den vielen Erinnerungs-Kinkerlitzchen, dem Setzkasten und weiß ich was? Als Erinnerung davon, würde ja auch ein Foto reichen.
Solche Dinge binden Wohnraum (irgendwo muss das Zeug ja hin), sie binden aber auch innere Energie, indem ich mich möglicherweise zu viel zwischen all diesen Erinnerungen bewege und daran festhalte, obwohl es längst mühsam oder unsinnig geworden ist, all diese Dinge zu pflegen.

Ich möchte mich mit der Pflege des Besitzes nicht mehr befassen, als nötig. Jetzt nicht, erst recht aber auch nicht in Zukunft. Werde ich älter, wird es natürlich irgendwann mühsamer, das ganze Zeugs abzustauben. Auch verhindern viele Dinge eher den Gedanken an wohnliche Veränderungen. Denn viele Dinge umzuziehen ist mühsamer, als nur wenige Dinge umzuziehen. Eine kleinere Wohnung im Erdgeschoss ist nunmal viel einfacher zu beziehen, wenn ich rechtzeitig vorher immer wieder meinen Besitz auf sinnvoll und nicht sinnvoll überprüft und mich ggf. auch von vielen Dingen getrennt habe. Außerdem kann ich mich auch wunderbar heimisch und bei mir selbst Zuhause fühlen, wenn ich mich nur noch mit meinen wirklichen Lieblingsteilen umgebe. So etwas fühlt sich einfach richtig gut an.

Zwischenmenschliche Begegnungen und Beziehungen

Natürlich braucht jeder Mensch mal Zeit und Ruhe für sich allein. Gerade mir geht es nach den vielen Jahren sozialer Arbeit oft so. Das ändert aber nichts daran, dass wir als Menschen nunmal soziale Wesen und üblicherweise auf Dauer eher nicht fürs Eremiten-Dasein geeignet sind. Ich denke im Hinblick auf das Älterwerden ist es sogar wichtig, sich die Fähigkeit zu erhalten, auf andere Menschen zuzugehen, Begegnungen zu genießen und zu gestalten, vielleicht sogar Erfahrung und Wissen weiter zu geben. Dies macht einen erheblichen Teil an Lebenszufriedenheit aus. Im Idealfall kann diese sich sogar auch noch auf andere Menschen positiv auswirken.

Persönliche Interessen und Hobbys

Die persönliche Lebenszufriedenheit und Lebensqualität ist deutlich höher, wenn sich die persönlichen Interessen nicht nur auf Beruf und Erfolg, sowie später im Alter auf das Erledigen des Haushalts, sowie TV-Schauen beschränkt, sondern die Zeit genutzt wird, um persönlichen Interessen, Hobbys nachzugehen oder einfach auch mal auszuprobieren. Bin ich jünger, geht es darum, Stärken und Interessen erstmal zu entdecken, später im Berufsleben, einen Ausgleich zu finden und im Alter einfach auch noch Spaß und einen Sinn zu finden.

Bewegung

Ich bin ja bekanntlich nicht so der Sportmensch, aber wenn ich irgendwas verstanden habe, dann ist es: in Bewegung bleiben – und zwar ganz unabhängig, wie alt ich nun gerade bin.
Ich muss deshalb nicht den Mount Everest erklimmen oder sonstige Höchstleistungen vollbringen. Aber: einfach bewegen, die Alltagswege zu Fuß gehen, das bringt etwas. Meine guten Vorsätze, mehr Sport machen zu wollen, haben nie lange gehalten, aber Bewegung ganz normal in die Alltagsabläufe zu integrieren, klappt wunderbar. Gehe ich die Treppe z.B. zu Fuß hoch, statt den Aufzug zu nutzen, kann ich mir den Stepper im Fitness-Studio schon mal sparen. Es gibt so viele Wege, die sich einfach auch zu Fuß erledigen lassen, dass ich es wunderbar finde, so etwas auch zu nutzen. Bin ich dann auch öfter mit Bus und Bahn unterwegs, anstatt ständig mit dem Auto, dann weiß ich eben auch, wie z.B. die Fahrkartenautomaten funktionieren und stehe nicht irgendwann nach Jahrzehnten Autofahrer-Dasein vor einem dieser Geräte, wie der berühmte „Ochs vor’m Berg“. Dann kann ich zusätzlich einfach mal gelegentlich eine Haltestelle früher aussteigen und den Rest laufen.

Platz schaffen – das Leben erleichtern – Lebensqualität erhalten

Angenehme Erinnerungen, positive Erlebnisse und Erfahrungen sind gut und wichtig. Ich kann mich erinnern, ich kann auch rückblickend genießen, aber ich muss auch schauen, was meine jetzige Situation und meine jetzige, aktuelle Befindlichkeit mir sagt. Für mich ist dies ein ganz wesentlicher Aspekt von Achtsamkeit im Alltag.
Loslassen zu können ist gerade dann besonders wichtig, wenn Dinge und Gewohnheiten eher zu einer Belastung werden. Dies erfordert vor allem, ehrlich mit sich selbst zu sein und es erfordert den Mut, Dinge und Gewohnheiten zu verabschieden. Aber es lohnt sich: Um Neues zu entdecken, muss ich nunmal  auch Platz schaffen, sozusagen den Weg frei räumen – äußerlich, wie innerlich. Dies ist ganz unabhängig vom Alter so – und in jedem Fall immer dann wichtig, wenn ich mir meine Lebenskraft und Lebensfreude erhalten möchte.

 

Lesetipps:

Buch: Hajo Schumacher: Restlaufzeit. Wie ein gutes, lustiges und bezahlbares Leben im Alltag gelingen kann. Bastei-Entertainment

Buch (kostenloses E-Book!): Hajo Schumacher: Gammeln oder Reifen? 10 Regeln für ein freudloses Alter 

Süddeutsche.de: Was brauchen wir eigentlich im Alter?

 

5 thoughts on “Minimalismus – einfach leben beim Älter werden

  1. Du triffst mit deinem Artikel den Nerv der Zeit. Wir Menschen sammeln im Laufe der Zeit immer mehr Sachen um uns rum, obwohl sie uns nicht zwangsläufig glücklicher machen. Im Gegenteil: Vieles ist unnötiger Balast. Im Alter aus der gewohnten Umgebung umzuziehen und Haus gegen Wohnung zu tauschen, stelle ich mir nicht so leicht vor. Allerdings kann man sich in jungen Jahren rechtzeitig darauf vorbereiten.

    1. Das sehe ich genauso. Natürlich muss ich nicht Nomadin werden, aber ein wenig flexibel bleiben, ist halt doch sinnvoll. Ich finde es fürchterlich, wenn ich irgendwann so eingefahren wäre, dass mich jede Veränderung total verunsichert.

  2. Das sind Gedanken, die ich mir auch schon gemacht habe. Noch bin ich „mittelalt“ und fit, aber unser Haus hat sehr viele Treppen und wird sicher nicht die letzte Adresse in unserem Leben sein. Eines Tages werden wir verkaufen (müssen) und dann hoffe ich mit dem Geld noch schöne Dinge (Reisen….) zu erleben.
    Und es reist sich besser mit leichtem Gepäck!
    Gudruns Fazit gefällt mir auch sehr gut!
    Viele liebe, unbeschwerte Grüße Lena

  3. Hallo Gabi, mir gefallen deine Gedanken gut. Ich gehöre noch nicht wirklich zu den Alten, aber auch nicht mehr wirklich zu den Jungen :). Jedenfalls mache ich mir auch gelegentlich so meine Gedanken übers Älterwerden.
    Und ich stimme zu: Ich würde es mir auch leichter machen wollen und ggf. irgendwann umziehen. Aber zu viel Zeug bedeutet eben, wie du schreibst, dass man sich dazu schwerer und später aufrafft. Und noch ein Gedanke weiter: Auch für die Nachkommen, die irgendwann meine Wohnung ausräumen und sich durch meine Sachen durcharbeiten müssen, wird eine vollgestopfte Wohnung kein Vergnügen sein.
    Fazit: Ich möchte Spuren hinterlassen, aber „leichte“ Spuren!

  4. stimme dir voll und ganz zu, liebe gabi. bei mir sind die durch den geschaffenen platz überflüssig gewordenen möbel als nächstes dran. restlaufzeit habe ich gerade ausgelesen und fand viele anregungen.
    lg anja

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