Balance

Die eigene innere und äußere Balance in Zeiten wie diesen zu behalten, ist nicht ganz einfach, aber natürlich trotzdem wichtig. Ich denke hierbei insbesondere an folgende Bereiche:

Der Medien-Dschungel

Es war noch nie im Leben so einfach, in sekundenschnelle über das Internet alle möglichen Informationen aus der Welt zu erfahren. Doch Nachrichten müssen erstmal von Fake-News unterschieden werden, sachliche Inhalte von Stimmungsmache und die überall sichtbare Werbungen erstmal weggeklickt.

Wir können uns auf ganz unterschiedlichen digitalen Wegen mit Menschen in der ganzen Welt austauschen. Filme, Serien, Onlinespiele sind in endlosen Varianten vorhanden und bieten 24 Stunden tägliche Unterhaltung. Hat man bei Netverflixt und Co. eine Serie angeschaut, werden gleich etliche weitere Serien angeboten. Wir könnten Filme bis zur Erschöpfung schauen und kämen doch nie an ein Ende.

Die Sozialen Netzwerke überfluten uns geradezu mit netten Filmchen, Bildern, in die geschickt Werbung eingestreut werden. Was ist da echt, was wirkliche Aussage und was nur eine geschickte Werbeshow?

Einerseits puschen diese ganzen eintrudelnden Unterhaltungen und Neuigkeiten das Dopamin in unserem Körper und wir wollen noch mehr sehen, andererseits können wir aber auch in einen Überforderungsmodus geraten und zunehmend überdreht und/oder unzufrieden werden.

Wohin steuert der Minimalismus?

Ein weiterer Bereich: Minimalismus. Waren es vor etlichen Jahren noch überwiegend die kleineren, privaten Blogger, die über den minimalistischen Lebensstil berichtet haben, so sind es heute sehr viele Influencer, die Minimalismus überwiegend in den Sozialen Netzwerken darstellen. Influencer verdienen damit bekanntlich Geld und benötigen hierfür eine hohe Followerschar, die er bzw. sie möglichst gut an sich binden muss. Wer sich ernsthaft durchsetzen will in diesem Social-Media-Haifisch-Becken nutzt ein professionelles Influencer-Management im Hintergrund.  Und dann wird entsprechend ein minimalistischer Lebensstil präsentiert, in den diese und jene Kooperationen (=Werbungen) möglichst geschickt eingestreut werden. Wenig Kram, aber kauf mal dies und das.

Mal ist der Schwerpunkt Nachhaltigkeit „in“ oder Achtsamkeit, mal Van-Life oder digitales Nomadentum, dann wieder der Extrem-Minimalismus. Und manchmal irgendwie alles gleichzeitig. Gelegentlich frage ich mich auch, was das, was in manchen Videos an vollgeräumten Wohnungen präsentiert wird, überhaupt mit Minimalismus zutun hat. 🤔

Ok, ich habe mich ja schon mal darüber aufgeregt…

Balance

Wie umgehen mit diesen mitunter verrückten Welten in dann noch schwierigen Zeiten? Ich lande immer wieder bei dem Thema Balance. Es gibt meiner Meinung nach nicht DEN einen Minimalismus als Lebensstil. Es gibt nicht DIE EINE perfekte Variante. Das Leben ist nicht statisch, es verändert sich immer irgendwas. Dinge, die mir heute noch wichtig sind, könnten Morgen schon überflüssig sein. Niemand kann wirklich ausschließen, nicht doch hier oder da mal einen Fehlkauf getätigt zu haben.

Es macht auch wenig Sinn, sich stundenlang vors Internet oder TV zu setzen, um wirklich jeden politischen Wimpernschlag mitzubekommen, andererseits führt das dauerhafte Tal der Ahnungslosen irgendwie auch nicht wirklich weiter. Auch hier geht es darum, die eigene persönliche Balance zu finden.

Tipps für mehr Balance im Medien-Dschungel:

Es gibt mehrere Wege, wie das Zuviel im Alltag ein wenig reduziert werden kann:

  • das mobile Internet unterwegs nur nutzen, wenn es wirklich benötigt wird. Erst dann einschalten
  • alle Apps löschen, die nur selten genutzt werden oder auch genau die, wo man dazu neigt, ständig darin herum zu klicken
  • Alternative Produkte statt Smartphone nutzen, wie den guten, alten Wecker.
  • auf Streamingdienste verzichten oder zumindestens zeitlich begrenzen
  • Social-Media-Diät: Entweder ganz darauf verzichten oder die sozialen Netzwerke nur zeitbegrenzt über Browser-Login nutzen
  • Benachrichtigungen am Smartphone so weit wie möglich deaktivieren
  • Nachrichten/News etc. nur z.B. 1 x täglich. Wer sich nicht unnötig davon triggern lassen will: Texte bevorzugen, auf Videos und Bilder so weit es möglich ist, verzichten
  • den Überblick bekommen: Mal auf die Uhr schauen: Wie lange versacke ich da vor einem Gerät? Bei Smartphones gibts dazu eine Einstellmöglichkeit, die Bildschirmzeit zu tracken. Bei anderen Geräten weiß ich es ehrlich gesagt nicht so genau. Mein 10 Jahre alter Laptop hat so eine Einstellung, andere Digitalgeräte habe ich nicht und daher: Keine Ahnung.

Balance beim Minimalismus als Lebensstil

  • Spontankäufe vermeiden. Was nicht in die Wohnung rein kommt, muss später auch nicht entrümpelt werden. Vor einem (evtl.) Kauf besser erstmal ein paar Nächte darüber schlafen.
  • Den eigenen minimalistischen Lebensstil regelmäßig unter die Lupe nehmen: Was liegt ungenutzt herum? Was ist überflüssig geworden?
  • Immer im Blick behalten: Minimalistischer Lebensstil als Business beinhaltet üblicherweise Werbung und ist eher idealtypisch, um damit viele Menschen anzusprechen und irgendwie damit auch Geld zu verdienen.
  • Im rein privaten Bereich muss beim Minimalismus vieles nicht sein: Es muss nicht ideal sein, es muss nicht perfekt sein. Wir müssen nicht „in“ sein damit, wir müssen nicht jeden Hype mitmachen. Es darf sogar mal unordentlich sein und irgendwas rum stehen 😉
  • Wichtiger ist der freundlich-kritische Blick aufs eigene Leben und was dort gut passt oder eben auch nicht. Oft hilft es, gerade nach etwas längerer Abwesenheit (z.B. Ausflüge, Wanderungen, Urlaube etc.) mal mit einem etwas genaueren Blick die eigenen Wohnräume unter die Lupe zu nehmen.

Dran bleiben

Dran bleiben finde ich wichtig. Balance ist nicht statisch, aber wichtig, um das innere und äußere Gleichgewicht zu behalten. Balance ist wohl immer eher eine Zielrichtung, als ein festgezurrter Endzustand. Es kann immer mal etwas mehr zur einen oder zur anderen Seite pendeln. Wichtig ist nur, dies immer wieder in den Blick zu nehmen und dann entsprechend gegen zu steuern. Und selber steuern, in welche Richtung es gehen soll, ist dann etwas ganz anderes, als sich von Medien, Meinungen, Werbung und Trends überrollen, überfluten oder einfach mitreißen zu lassen.

Person balanciert auf Baumstamm im Wald
Foto: © Jon Flobrant, Unsplash

23 thoughts on “Balance

  1. Alles soll immer so perfekt sein. Selbst für den Minimalismus scheint es ein Perfektionsmass zu geben, ach was soll ich sagen, irgendwie für wirklich alles. Stelle ich mittlerweile nicht nur im Internet fest, sondern auch im echten Leben. Und was ich auch feststelle : Das ist gar nicht meins. Ich liebe das Unperfekte, finde das grade schön. Niemand muss alles können und alles wissen und alles aushalten. Ich finde es so sehr wichtig seine eigene Meinung über das Leben zu haben, das selber denken nicht zu vergessen. So wichtig für die eigene Balance. Dein letzter Absatz hat es genau beschrieben!

  2. You Tube gibt mir das Gefühl, es sei normal, ein Haus umzubauen neben Vollzeitjob, 2 Kindern, 4 Haustieren, erfolgreichem Beziehungs-, Social Media- und Realleben. Meine Projekte sind kleiner. Heute: Pfannkuchen machen, Fußleisten staubsaugen, crashfrei Druckerpatrone wechseln, Buch weiterlesen. Aber: Ist das genug? Bin ich genug? Siehe oben.

    1. Oh, du bringst es wirklich wunderbar auf dem Punkt! Diese Youtube-Alleskönnerei erinnert dann doch sehr an Workaholic. Also ich kann da sehr gut drauf verzichten. Irgendwann führt so etwas nämlich absehbar zum Zusammenbruch. Also dann doch lieber ein bisschen Aktions-Minimalismus.

      1. Aktions-Minimalismus. Was für ein schöner Begriff! Im alten Griechenland war Muße das Vorrecht des freien Mannes und wurde als notwendige Voraussetzung für die freie Entfaltung des Geistes angesehen.

        1. Muße statt Muss: Also wäre danach ja einfach zu fragen: Wie frei bin ich mit dem, was ich tue und vor allem: Wieviel ich tue?

    2. „crashfrei Druckerpatrone wechseln, :lach: da habe ich Noname-Patronen schon mal oben zerbrochen, weil sie doch nicht ganz passten….

  3. Liebe Gabi, seit Jahren verfolge ich begeistert Deine Seite. Ungeschnörkelt, aber treffend. Ich musste vor einiger Zeit die Wohnung.meiner Mutter auflösen. Unfassbar, was in 1,5 Zimmer alles reinpasste. Jetzt wird fleissig entsorgt, auch viele noch ungeöffnete Sachen. Meine eigenen Sachen durchforste ich jetzt auch, um meinen Nachkommen diese Last zu ersparen. Ich bin auf einem guten Weg, aber lange noch nicht angekommen. Balance ist wichtig, da jeder Dir seinen Weg vorschreiben möchte. Du machst es richtig, und ich freue mich auf viele weitere Artikel von Dir 😊. LG Elke

    1. Ungeschnörkelt, ja das passt. Ich habe es nicht so mit Schnörkeln und dann wohne ich noch im Ruhrgebiet, da ist man ja ohnehin eher geradeaus.

        1. Und doch war das alles mal sowas von normal. Fast unglaublich, wenn mans nich selbst erlebt hat damals. Gibt mir oft zu denken wenn zurück denke an sowas und mich erinnere wie stolz meine Mutter auf ihre Monster-Schrankwand doch war…. aber auch witzig wenn dran denke das es damals bei jeder Freundin zuhause so oder ähnlich aussah…. 😀

  4. Ich habe gerade miterlebt, wie eine betagte Verwandte die Einstellung zu ihrem Besitz radikal geändert hat. Sie war in der „schlechten Zeit“ aufgewachsen. Die Eltern ausgebombt. Der Vater arbeitslos. Es wurde gehungert. Man konnte nichts wegwerfen, weil man nichts hatte. Später kaufte sie alles, was für ihre Generation erstrebenswert war. Gute Tafel- und Kaffeeservice, versilbertes Tafelbesteck, Gläsergarnituren, feine Tischwäsche. Bei einem Gespräch äußerte ich, dass bei Haushaltsauflösungen vieles im Müllcontainer landet, weil die Kinder alles haben und eine Wohnungsauflösung bei einer Mietwohnung oft unter Zeitdruck geschehen muss. Beim nächsten Besuch war wie für einen Festtag eingedeckt. Für Saft und Sprudel, die in Karaffen aufgetischt waren, standen Weingläser bereit. Was war geschehen. Die Verwandte hatte alles Alltagsgeschirr, dass abgeschabt und angestoßen war weggeworfen. Was gut war, aber nicht mehr gefiel, war in ein Verschenkhaus gewandert. Dazu sagte sie: „Ich benutze jetzt nur noch mein schönes Geschirr. Was macht es schon aus, wenn etwas kaputt geht. Nach meinem Tod landet es sowieso im Müllcontainer.“

    1. Oh phantastisch. So etwas höre ich aus dieser Generation so selten. Es ist ja in der Regel auch tatsächlich so. Nahezu niemand will in der Regel so ein „gutes Geschirr“ hinterher haben. Die Sozialkaufhäuser sind voll davon. Und endlich genießt deine Verwandte ihre Dinge!

      1. Ich habe ein solches „gutes Geschirr“ von meiner Oma geerbt. Vor knapp 30 Jahren habe ich es freiwillig 😉 genommen. Es ist so ein feines, fast schon durchsichtig dünnes Porzellan und natürlich mit Goldrand. Ursprünglich waren ein Kaffeeservice und ein Essservice für jeweils 12 Personen. Schüsseln, Terrinen, Kanne und Kännchen… Ein riesiger Haufen Geschirr, den ich nurmalerweise verwende, wenn mehrere Personen zu Besuch kommen. Aber: Ich habe inzwischen den Berg Geschirr auf das für uns sinnvolle Maß gekürzt. Von 23 Kuchentellern sind es jetzt noch 8, die Kaffeekannen und 2 Terrinen mussten gehen usw.
        Auch stelle ich das Geschirr nach Gebrauch in die Spülmaschine, was dem Goldrand auf Dauer wohl nicht gut tut. Ist mir aber egal, denn – wie oben schon geschrieben – spätestens nach mir landet es eh im Container.
        Wobei … mit dem Besuch am Wochenende haben wir das Alltagsgeschirr verwendent. 🤔 Es bahnt sich neuer Platz im Schrank an.

    2. Glückwunsch! Im Umfeld geht jemand ins Pflegeheim. Wie viele Wochen diese Wohnung – identischer Grundriss mit meiner – nun schon geräumt wird. Selbst der Sperrmüll reichte nicht aus. Allein die Zeit, die man seinen Verwandten damit raubt, finde ich egoistisch. Das Geld für Helfer, die vielen Anfahrten.

      1. Und alle scheinen einen solchen Zustand völlig normal zu finden. Mir geht es auch so, dass ich es eine Zumutung finde, der Nachwelt so viel Krempel zum Entrümpeln zu hinterlassen. Auch an dieser Stelle könnte man sich ja einmal Gedanken, um die richtige Balance an vorhandenen Dingen zu machen. Wie viele Dinge brauche ich wirklich, damit es mir gut geht? Welche Dinge kann ich irgendwann loslassen, weil ich sie ohnehin nicht benötige und für die Nachwelt nur ein unnötiger Entrümpelungsaufwand wäre? Das schwedische Death-Cleaning geht ja genau in diese Richtung

      2. Auch ich werde in den nächsten Jahren einen riesigen Nachlass entsorgen müssen, und mir graust jetzt schon davor. Trotzdem möchte ich um Verständnis und Nachsicht für die Horterei der ersten Nachkriegsgeneration bitten. Viele sind in Hunger und Not aufgewachsen, die wir uns nicht einmal vorstellen können. Wer nichts zum Tauschen hatte verhungerte oder erfror. Besitz hieß überleben. Diese Prägung aus den Kindertagen ist bei vielen alten Menschen so grundlegend und tief verwurzelt, dass sie auch nach Jahrzehnten des Wohlstandes ihre (unbewusste) Gültigkeit hat. Wenn ich es als Egoismus ansehen, dass nach ihrem Tod ein materielles Abbild ihres Lebens übrig bleibt, so liegt es an der eigenen Einstellung. Die eigene geistige Verhaftung mit dem Besitz der Eltern oder Verwandten macht es so schwer alles zu entsorgen. Ansonsten würden man einmal alles durchgehen, nehmen was gefällt und für den Rest ein Entsorgungsunternehmen beauftragen.

        1. Oh ja, das stimmt. Gerade die, die jetzt im höheren Alter sind und extreme Mangelerfahrungen haben, horten besonders gerne. Aber auch da gibt es Unterschiede, je nachdem wie die Einzelnen das verarbeitet haben. Da macht es wirklich Sinn, pragmatische Lösung zu finden, wenn man solche Haushalte auflösen muss und sich nicht selbst noch darin zu verhaften.

  5. Moin Gabi,
    sich selbst vertrauen würd ich sagen und nicht leiten lassen durch die bunte überladene Internetwelt.
    Du hast es sehr gut geschrieben.
    Hab einen schönen Abend, liebe Grüße!

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