Minimalismus: Womit geht es mir wirklich gut?

Ist das Urlaub  – oder Stress? Erlebnisse beim Zugfahren

Gestern war ich in Düsseldorf beim Minimalismus-Treffen und bin dorthin mit dem Zug gefahren. Erst war da der überfüllten Bahnhof, dann die überfüllten Bahnsteige, zusätzlich die überfüllten Züge – die Osterferien-Ende gehen zu Ende. Eigentlich sollten dann ja viele Leute erholt und entspannt sein. Davon war aber wenig zu spüren. Statt dessen war hektisch, laut, voll. Allein schon zeitgleiche Lautsprecherdurchsagen und das Quietschen der Züge beim Bremsen – für mich ein akkustischer Horror. Hinzu kamen dann auch noch telefonierende Menschen (wie verstehen die da überhaupt noch was?), schreiende Kinder im Kinderwagen (denen es hier am Bahnhof vermutlich einfach zu viel war), dann einige laut diskutierende Erwachsene. Ich schaute mich noch ein wenig um: Einigen Menschen stand die Anspannung im Gesicht geschrieben. Es gab hektische und keuchende Kofferschlepper und zumindestens etwas entspannter wirkende, jüngere Rucksacktouristen. Dann auch noch Menschen, die in all dem Getümmel ihr Fahrrad im Zug mitnehmen wollten…

Ich stand mitten in dieser ganzen Hektik und Unruhe, spürte diese sehr intensiv und versuchte mir erstmal klar zu machen, dass es die Hektik der anderen war, nicht meine. Also suchte ich mir eine Stelle am Bahnsteig, wo noch nicht ganz so viele Leute standen. Ich fand dann im Zug sogar noch einen Sitzplatz. Ich schaute mich noch ein wenig um: Menschen liefen hin und her, suchten Sitzplätze, schleppten Koffer, wurde Platz für den Kinderwagen gesucht oder noch mal eben was ins Smartphone getippt (gehend, gleichzeitig Sitzplatz suchend!) Die Kofferschlepper suchten vergeblich nach Stauraum für ihre großen Koffer. In den Regionalzügen gibt es dafür kaum Platz. Wer öfter mal Zug fährt, weiß das eigentlich auch…

Ich schloß ein ein wenig die Augen und bemerkte, dass die Lautsprecherdurchsagen und quietschenden Züge kaum noch zu hören waren. Um mich herum jetzt Fußgetrappel, Diskussionen… Ich konzentrierte mich auf meinen Atem: Einatmen, ausatmen und ich bemerkte, dass ich diese hektische Welt um mich herum einfach da lassen konnte, wo sie ist: Die anderen waren hektisch und angespannt – nicht ich. Plötzlich eine Lautsprecherdurchsage des Zugbegleiters: „Meine Damen und Herren, die Weiterfahrt dieses Zuges wird sich weiter verzögern, weil irgendein Vollpfosten in der Tür steht und wir diese nicht schließen können.“ Ruckzuck war die Tür frei, schloss sich und wir konnten abfahren. Ich musste lachen, denn diese Durchsage war wirklich Ruhrgebiet in Livekultur. Mitten in diesem Getümmel ging es mir gut und ich fragte mich, wie sich heraus finden lässt, womit ich mich wirklich erholen und wohlfühlen kann? Drei Aspekte fallen mir dazu ein:

1. Wohlergehen und Minimalismus:

Manche Leute können nicht einmal im Urlaub auf eine große Menge an Kram verzichten. Wer aber mit großem Gepäck reist, ist nunmal gestresster, als die, die mit wenig Gepäck reisen. Den Gesichtern der Kofferschlepper war es deutlich anzusehen, wieviel Belastung eine solche Fahrt bedeutet. Dagegen wirkten die Rucksacktouristen mit nur ca. dem Drittel des Gepäcks vergleichsweise viel entspannter. D.h.: einfach mal weniger Kram mitnehmen. Ein Großteil der mitgenommenen Kleidungsstücke wird doch meistens ohnehin nicht getragen und es ist Urlaub – da geht’s doch eigentlich auch mal mit weniger.

2. Wohlergehen und Erlebnishunger

Warum um alles in der Welt fahren Menschen wirklich bis zur letzten Minute in Urlaub und stressen sich dann so bei der Rückfahrt? Wieviel Wunsch nach Erholung ist das, wieviel Statussymbol, wieviel Flucht vor dem Alltag? Vielleicht ist es Erlebnishunger mit dem Wunsch, die schönen Urlaubstage möglichst bis ganz zum Schluss zu genießen – aber Genuss war das ja jetzt definitiv nicht mehr für die Urlaubs-Kofferschlepper. Ob die Betreffenden das überhaupt bemerkt haben? Hatten die Kofferschlepper dann auch noch Kinder, so war deutlich: diese haben den Stress bemerkt und auch darunter gelitten. Vermutlich hätten diese Kinder auch gut auf die Urlaubsreise mit Zug und Flugzeug in den sonnigen Süden verzichten können und wären bei mäßigem Wetter auf einem kleinen Urlaubs-Bauernhof in der Eifel sehr viel glücklicher und entspannter gewesen – mitten im herrlichem Matsch, zwischen Kühen, Schweinen und Hühnern, durch Wälder und Wiesen laufend. Und vielleicht hätten sich die Kofferschlepper-Eltern dort sogar auch erholt… Für Wohlbefinden brauche ich nicht zwingend viele, exzessive und maximale Erlebnisse. Erlebnishunger lässt sich mit der nötigen Sensiblität und Aufmerksamkeit auch durch kleinere Ereignisse stillen. Denn egal, wie weit weg ich von meinem gewohnten Alltag fahre: Mich selbst nehme ich ja immer mit und damit meine Art Stress zu verarbeiten, meine Entspanntheit, meine Angespanntheit.

3. Wohlergehen und Achtsamkeit

Was mir an diesen Zug-Szenen noch aufgefallen ist: Achtsamkeit auf die eigenen Bedürfnisse ist so wichtig. Und sich mal ehrlich eingestehen und heraus finden: Womit erhole ich mich denn wirklich gut? Was entspannt mich? Wie kann ich solche hektischen und anstrengenden Situationen vermeiden? Was tut mir eigentlich gut? Das lässt sich natürlich in den seltensten während solcher Zugfahrten herausfinden, auch kann Wohlergehen natürlich  sehr unterschiedlich aussehen, aber ich denke, es ist wichtig, auch mal abseits der üblichen Erholungs-Trampelpfade zu schauen:

Womit geht es mir denn wirklich gut?

Mir hat dabei das zum MBSR-Programm gehörende Sammeln von angenehmen Erfahrungen geholfen. Einfach mal eine (beliebige) Alltagswoche oder vielleicht sogar mal eine Woche im Urlaub darauf achten, was ich als angenehm und wohltuend empfinde und dies auch aufschreiben. Dabei stellte ich fest, dass es bei mir waren es oft die Kleinigkeiten sind, die mir gut tun, wie die aufgehende Sonne, Begegnungen, ein anregendes Gespräch, ein Spaziergang, Musik oder einfach die Stille zu genießen.

6 thoughts on “Minimalismus: Womit geht es mir wirklich gut?

  1. Hallo Gabi,
    ja ich kenne das: volle Züge, hektische Menschen, jeder will überall der erste sein und drängelt.
    Ich sage von mir immer: ich bin Dortmunds letzter Fußgänger! wenn es gar nicht anders geht, dann fahre ich natürlich auch mit der Bahn/ U -Bahn. Mir macht das aber nichts aus: die anderen können ruhig schreien und Gepäck schleppen, ich liebe es, nur ruhig da zu sitzen und zu beobachten. Das tue ich für mein Leben gern. Einfach nur Menschen beobachten. Ich selber nehme nicht viel Platz in Anspruch, Gepäck habe ich auch nur immer 1 Handtasche (große Shopper Tasche). Die macht alles mit: ersetzt Einkaufstaschen, Rucksäcke, Sporttaschen usw. Organisieren kann ich gut. Schade, dass ich nicht dabei sein konnte beim Stammtisch, vielleicht das nächste Mal. Ich lese seit einiger Zeit in diesen Blogs, sehr spannend für mich, wusste bis dahin ja gar nicht, wieviele Menschen sich mit diesen Themen beschäftigen und darüber schreiben. Das hier ist übrigens mein PC am Arbeitsplatz, Ich habe Mittagspause, dann darf ich auch privates erledigen.
    Übrigens weißt Du, wo ich am besten/günstigsten Obst und Gemüse kaufen kann? Die fruchtbare Erde oder der Basic Laden sind mir für dauernd zu teuer. Ich gebe zu, dass ich meistens bei REWE und EDEKA die Produkte aus „NRW oder Heimatland oder Münsteland“kaufe.
    L.G.
    Bärbel

  2. Wobei die großen Koffer dann vielleicht ja für die ganze Familie sind. Man kann am Urlaubsort auch improvisieren und muss nicht alles dabei haben für kleine Kinder.
    Ich merke es gerade an den Gärten, mit wie wenig ich mittlerweile zufrieden bin. Ich freue mich jedes Jahr, dass ich keine Gartenbank mehr raus- und reinschleppen muss. Hab keine mehr. 3 Pflänzchen in neuen Töpfen. Und ich sammele Mandarinen- und Zitronenkerne und was ich sonst noch esse und pflanze sie ein. Was geht mir ab? Nix. Alles schön reduziert. Ich genieße die Sonne. Das ist für mich Urlaub. Ich atme auch bei Störgeräuschen. Finde toll wie du deine Mitte in dem Gewimmel findest. Da muss ich noch üben. Die Durchsage war der Hit!

    Liebe Grüße – Tanja

  3. Hallo Gabi!

    Ich bin am Bahnhof immer diejenige die abseits steht. Mir ist es sehr schnell zu laut. Daher habe ich gerne etwas zu lesen mit, da schalten meine Ohren dann fast von selbst ab.

    Danke für die Arbeitsunterlagen!

    lg
    Maria

  4. Ha! Deine Beobachtungen zum Thema Zugfahren kann ich voll und ganz unterschreiben. Mir tun die Leute mit ihren riiiiesigen Koffern immer ein bisschen Leid. Ich weiß auch gar nicht, warum es so große Koffer gibt, denn die Gepäckmenge im Flieger ist begrenzt und im Zug gibts nur schmale Ablagen oben oder kleine Nischen im Wagon. Und nicht zu vergessen die Breite des Laufweges zwischen den Sitzplätzen! Da bleiben die Luxuskoffern gern mal mit ihren Rädchen hängen.
    Überhaupt diese lärmenden Rollkoffern. Seit man sein Gepäck nicht mehr tragen muss, nimmt man bestimmt mehr mit…?!

    „Erlebnishunger“ ist ein tolles Wort. Das beschreibt unsere Art und Urlauben wohl ziemlich gut. Ich finds immer ein bisschen schade, wenn der Urlaub erst am Zielort anfängt und nicht die Reise ansich. Da wird die Erholung auf Punkt X verschoben und damit kann man sich ganz schnell alles versauen.

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