Mut zur Veränderung – Downshifting

Schrittweise habe ich mich in den letzten Jahren entschlossen, meine Arbeitszeit und die damit verbundene Belastung zu reduzieren. Die sozialpädagogische Arbeit hatte sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten deutlich verändert und verdichtet. Mit meinem Spaß an der Arbeit ging es ebenso schleichend bergab, wie mit meiner gesundheitlichen Verfassung. Ich fühlte mich gestresster, benötigte länger zur Regeneration, war schlicht fast ständig k.o. – Aber was ändern? Was sollte ich denn beruflich noch ändern, wo ich inzwischen bereits das 5. Lebensjahrzehnt erreicht hatte?

Gerald Hüter hat in seinem Buch: „Was wir sind und was wir sein könnten“ (Fischer-Verlag, eBook) gut auf den Punkt gebracht, welche Erkenntnis zu diesem Zeitpunkt ganz besonders erforderlich war:

„Aus neurobiologischer Sicht haben wir unser komplexes und zeitlebens lernfähiges Gehirn ja nicht entwickelt, um uns zu optimal angepassten Sklaven der von uns selbst geschaffenen Verhältnisse zu machen, sondern um unsere Lebensbedingungen so zu gestalten, dass es uns möglich wird, die in uns angelegten Potentiale zu entfalten.“

Sklave meiner Lebensverhältnisse wollte ich nicht werden. Aber: weniger zu arbeiten, war anfangs trotzdem kaum eine Überlegung wert – wo Sozialpädagogen ja nun ohnehin nicht zu den Großverdienern gehören… Letztlich habe ich dies dann aber doch umgesetzt: Teilzeit statt Vollzeit, Arbeitsstelle gewechselt und dadurch deutlich weniger Anfahrt. Die Arbeitsbelastung ist dadurch gesunken, meine Arbeitsfreude wieder deutlich gestiegen, auch inhaltlich arbeite ich heute besser.

Eine Kehrseite des Ganzen ist, dass ich heute netto einige hundert Euro weniger verdiene. Aber wie funktioniert das?

Möglich ist die Teilzeittätigkeit ganz klar durch einen bewussten Umgang mit Konsum und dem Führen eines Haushaltbuches. Dies erlaubt mir eine Freiheit, die ich ohne dem nicht hätte. Es ermöglicht sogar, trotzdem immer wieder Lebensmittel in Bioqualität zu kaufen. So habe ich inzwischen einen recht guten Überblick, wie sich unser Stromverbrauch entwickelt, was uns die Wocheneinkäufe (Lebensmittel etc.) kosten, welche Handy- und Internettarife am günstigsten sind und wann, welche Zahlungen oder evtl. Neukäufe anstehen. Technische Geräte wie Spülmaschine, Kaffeemaschine sind entsorgt, da diese zu reparaturanfällig geworden waren. Als Fernseher dient ein alter Computer (iMac G5, Jahrgang 2005), den wir geschenkt bekommen haben, es war lediglich noch ein TV-Stick nötig. Das geht, es geht sogar gut. Eigentlich tauchen im Laufe der Zeit immer wieder Ideen auf, wie sich dies, das oder jenes noch vereinfachen lässt.

Die Lebensqualität hat nicht gelitten, im Gegenteil. Nicht allen möglichen Konsum- und Modetrends nachzugehen, das Leben einfacher zu gestalten hat sich gelohnt. Das, was ich an Zufriedenheit, Entspannung, Lebensfreude dazu gewonnen habe, hätte mir keine Gehaltserhöhung, kein Traumurlaub in Übersee, kein HD-Fernseher, kein Hightech-Smartphone oder sonst was bieten können. Das einzige, was es braucht ist Mut. Den Mut zur Veränderung, der Reduzierung von Konsumansprüchen, sowie einer zumindestens halbwegs sortierten Finanzplanung.