Achtsamkeit: Erschöpfung verhindern – Klarheiten schaffen

Vor ein paar Tagen war ich wieder an so einem Punkt: 22. Dezember, letzter Arbeitstag und ich war gleichermaßen überdreht, wie k.o – so in etwa, wie ein heißgelaufener Motor und der Benzintank bereits auf Reserve. Ich habe zuvor versucht, die letzten Arbeitstage noch halbwegs ordentlich zu bewältigen, was mir erstaunlicherweise sogar gelang. Meine ersten beiden freien Tage habe ich dann mehr oder weniger im Dämmer- und Schlafzustand zugebracht, bevor dann gestern die Lebensgeister wieder erwachten, die Energie zurück gekehrt ist und ich jetzt wieder gefühlte tausenderlei Ideen und Gedanken in mir habe. Trotzdem stellt sich mir die Frage:

  • Warum bin ich in diesen „Reservezustand“  überhaupt rein geraten?
  • Was stimmte nicht?
  • Was war zuviel?
  • Was muss sich ändern, um nicht so völlig erschöpft zu sein?

In einem Buch von Sarah Silverstone fand ich dann eine wunderbare Hilfe: die Unterscheidung von „Handlungsmodus“ und „Seins-Modus. Ist beides in Balance miteinander, füllt sich der „Energietank“ auch regelmäßig wieder auf und eine wichtige Frage entwickelt sich in mir:

  • Was von dem, was ich tue, ist wirklich wichtig, notwendig oder auch nicht?

Ich habe noch nicht auf all die oben genannten Fragen eine endgültige Antwort gefunden. Aber es geht dabei ja auch nicht vorrangig um endgültige Antworten. Es geht darum die nötigen Voraussetzungen für diese Antworten zu schaffen.

Nachfolgend einige Auszüge aus dem Text von Sarah Silverton. Sie beschreibt darin, was sie unter Handlungs- und Seins-Modus versteht. Ein wunderbares Beispiel vom Schwimmen-gehen, macht die Unterschiede dann auch nochmal ganz praktisch deutlich (ein schönes Beispiel von Alltags-Achtsamkeit). Selbst beim eigenen Konsumverhalten können wir auf diese Weise mehr Klarheiten gewinnen und somit auch bessere Entscheidungen treffen. Wenn es gelingt, im Seins-Modus achtsamer und differenzierter wahrzunehmen was jetzt da ist, gelingt es auch besser, mehr  Klarheit und innere Wachheit zu gewinnen, um dann viel gezielter handeln zu können:

 

Der Geist im Handlungs- und im Seins-Modus

Gehören Sie zu den Menschen, die Listen schreiben, um zu behalten, was Sie alles zu erledigen haben? Stellen Sie fest, dass Sie häufig besorgt an all die Dinge denken, die noch zu tun sind?
Viele von uns sind unglaublich beschäftigt und erfüllen vom Aufstehen bis zum Schlafengehen ständig Pflichten und Aufgaben. Wir stellen immerzu Listen auf, wie:

Die Katze füttern
Den Müll runter bringen
Rechnungen bezahlen
Lebensmittel einkaufen
Für die Familie kochen …

 

Der tuende Geist erlaubt uns, uns auf die Erledigung von Aufgaben zu konzentrieren. Er lässt uns dranbleiben, so dass wir unser Endziel im Auge behalten und weitermachen, bis es erreicht ist. … .
Der handelnde Geist ist sehr wichtig, doch achtsame Aufmerksamkeit hilft uns zu bemerken, dass wir diesen Modus manchmal ungeschickt einsetzen. Wenn wir allein auf Zielerreichung ausgerichtet sind, verpassen wir oft viele Details unserer momentanen Erfahrung – dabei wäre es nützlich, manche davon zu bemerken. … Oft bringen wir unseren tuenden Geist auch dann zum Einsatz, wenn dieser Operationsmodus gar nicht am angemessensten ist. Wir sind am Machen und am Tun, wo es gar nicht notwendig ist.  Vielleicht fällt es uns schwer umzuschalten, weil unser Geist uns ständig erzählt, dass die Arbeit noch nicht erledigt ist.

 

Es ist unser „seiender Geist“, der uns zu forschen erlaubt, so dass wir mit den Einzelheiten unseres Erlebens präsent sein können, egal ob wir nun still sind oder etwas tun. Jemand, der z.B. schwimmt, um fit zu bleiben, wird seinen tuenden Geist vielleicht einsetzen, um die zurück gelegten Bahnen zu zählen und die Zeit im Auge zu behalten.
Dieselbe Person könnte ihren seienden Geist nutzen, um zu spüren, wie sich ihr Körper durchs Wasser bewegt, und zu sehen und zu hören, was um sie herum geschieht. …

 

Im Handlungs-Modus konzentrieren wir uns oft auf das, was an den Dingen, so wie sie sind, nicht richtig oder nicht genug ist. So kaufen z.B. manche von uns ständig neue Dinge, um unser Leben zu „verbessern“. Haben wir sie, geben sie uns nicht, was wir uns davon erhofft hatten und wollen mehr! Wenn dieser geistige Modus mit unserem emotionalen Zustand ineinander greift, können wir ständig unglücklich, ängstlich oder ärgerlich sein. Wir sehen dann nur die Kluft zwischen unserem jetzigen Zustand und dem Glück oder dem inneren Frieden, den wir uns ersehnen. …

 

Achtsam und wach für unsere Erfahrungen sein klingt einfach, unterscheidet sich aber tatsächlich ziemlich von unserem üblichen Umgang mit Erfahrungen. Wir sind darauf programmiert, unsere Erfahrungen und uns selbst ständig verbessern zu wollen. Achtsamkeitspraxis ermutigt uns als ersten Schritt, unsere Erfahrungen nicht zu verändern, sondern sie klar zu sehen, da wir sie – hier in diesem Moment – bereits erleben.

 

[aus: Sarah Silverton, Das Praxisbuch der Achtsamkeit. Wirksame Selbsthilfe bei Stress. Köselverlag, E-Book. Teil I, Kapitel 2.]