Auch in einem minimalistischen Haushalt kommt man irgendwann an den Punkt, wo dann doch dies oder das neu gekauft werden muss. Vielleicht ist das Sofa hinüber, das Lattenrost eingekracht oder ein Regal hinüber. Also steht irgendwann der Entschluss fest: Etwas Neues muss jetzt doch mal her und so geht es rein ins nächste Möbelgeschäft.
Es ist in unserer von Hyperkonsum geprägten Gesellschaft ganz generell schon eine Herausforderung, nicht vom gelegentlichen Shoppingkoller erfasst zu werden und sich angesichts des Überangebotes nicht mehr Zeug als geplant zu kaufen. In Möbelhäusern gibt es dann auch noch sehr viel mehr, als nur Möbel. Geschickt wird tausenderlei Deko arrangiert und genau dort platziert, wo man eigentlich nach einem Sofa oder Regal schauen will. Ach ja, diese Vase, jene Lampe, die schicke Kerze, das schöne Kissen… Das kostet ja alles nicht so viel und zack – ist zunächst erst der Einkaufswagen voll und später, wenn das kurze Einkaufsglücksgefühl dem Alltag gewichen ist, auch die Wohnung. Überfüllt mit all den Dingen, die man eigentlich nicht braucht.
Was tun gegen den Shoppingkoller?
Um sich vor Shoppingkoller und somit unnötigen Käufen zu schützen, ist zunächst einmal die zentrale Frage: Was passiert dort eigentlich genau? Es lohnt sich, wirklich genauer hinzuschauen. Dadurch lernen wir sowohl uns, als auch die typischen Kaufanreize der Geschäfte besser kennen und können dadurch bewusster, gezielter und überlegter einkaufen.
Unnötige Einkäufe werden oft spontan und emotional entschieden
Mit logischen und rationalen Argumenten ist heute allein kein gutes Geschäft mehr für die Konsumindustrie zu machen. Wir werden üblicherweise emotional angesprochen, wir sollen uns wohlfühlen, uns von den geschickt gestalteten Arrangements in den Geschäften zum Kaufen anregen lassen. Es ist wichtig, sich dieser Mechanismen bewusst zu werden, damit wir ein Gespür dafür entwickeln, nicht spontan und unüberlegt zu kaufen und stattdessen wirklich gezielte Kaufentscheidungen zu treffen. Dazu meine drei vielleicht etwas ungewöhnlichen Tipps:
Tipp 1: Mach einen Ausflug ins Shoppingcenter – ohne Geldbörse!
Mache einen Ausflug in Shoppingcenter oder Möbelhaus, aber diesmal ohne Geldbörse, EC-Karte oder Kreditkarte. Oder nimm alternativ dazu einfach nur maximal 5 Euro mit. Auch die Handys mit Bezahlfunktion am besten Zuhause lassen. Geh nun einfach nur aufmerksam durch das Geschäft ohne jede Kaufabsicht, ohne Plan – aber sehr aufmerksam. Ohne jede Kaufabsicht wirst du vieles entdecken. Schau genau hin, was um dich herum geschieht. Was siehst und hörst du? Was fällt auf? Was spricht dich an? Was auch gar nicht? Wo und an welchen Stellen würdest du am liebsten zugreifen? Versuche möglichst genau das zu registrieren, was um dich herum geschieht und wie es dir in den jeweiligen Momenten geht. Werde dir bei diesem Rundgang durch die Geschäfte bewusst, dass geschickte Marketingexperten und Werbepsychologen sich viele Gedanken darum machen, wo welche Dinge stehen, wie diese präsentiert werden, wie die Gänge gestaltet sind, durch die wir geleitet werden. Musik und Lichtgestaltung sind keine Zufälle, sondern bewusst gestaltete Elemente. Alles soll dazu dienen, uns emotional anzusprechen. Manchmal wird auch durch die geschickte Gestaltung fast verhindert, dass wir schnell und zügig zu einem Einkauf kommen und das Geschäft wieder verlassen.
Tipp 2: Die Zwei-Konto-Technik – budgetiere den Shoppingkoller
Wer auf einfache Weise zwischen wirklichem Bedarf und unsinnigen Ausgaben unterscheiden will, kann sich selbst eine kleine Einkaufsbremse konstruieren, indem der drohende Shoppingkoller einfach budgetiert wird. Eröffne ein kostenloses zweites Girokonto auf dem nur eine monatlich begrenzte Summe verfügbar ist. Alternativ dazu lege dir eine weite Geldbörse zu, in der du monatlich eine bestimmte begrenzte Summe Geld hast, welches du für deine gelegentlichen, letztlich nicht nötigen Shoppingkoller oder Spaßkäufe nutzt. Verzichte im Fall des zweiten Girokontos bewusst auf den Dispositionskredit und eine klassische Kreditkarte. Nimm ein reines Guthabenkonto. Überweise hierauf monatlich eine begrenzte Summe Geld und nur das, was wirklich nicht für wichtige monatliche Ausgaben notwendig ist.
Überlege dir vorher, was du mit den Geldern unternehmen wirst, die du dann nicht für irgendwelche Shoppingtrips ausgegeben hast. Vielleicht ansparen für einen Kurzurlaub? Soll es ein lang gehegter Wunsch sein? Oder ausgiebig Essen gehen?
Nutze dann die andere Gelder vom Haupt-Girokontokarte nicht, wenn du irgendwelche Dinge kaufen willst, die eigentlich nicht wirklich nötig sind. Das Haupt-Girokonto und die Haupt-Geldbörse sind für alle wesentlichen und wichtigen Ausgaben reserviert.
Auf dem zweiten Konto oder der Shoppingkoller-Geldbörse ist nun aber nur eine begrenzte Menge Geld, so dass halt auch nur diese Summe ausgegeben werden kann. Im Möbelhaus würde diese Zwei-Konto-Technik bedeuten: Den unnötigen Dekokram muss man nun extra bezahlen. Das ist ist umständlich und macht den letztlich unnötigen Teil bewusster. Schon allein das dazu nötige vorherige Sortieren der nötigen und unnötigen Dinge setzt nochmal einen Reflexionsprozess in Gang: Muss das jetzt wirklich sein…?
Tipp 3: Minimalismus vor der Kassenzone
Minimalisier doch einfach mal vorher – nämlich vor dem endgültigen Gang zur Kasse. Entrümpel deinen Einkaufswagen, bevor du dich in der Kassenschlange anstellst. Einmal nochmal genau alles anschauen. Und dann das unnötige Zeug entrümpeln, bevor man es bezahlt hat. Das ist ein letzter Rettungsanker vor dem unnötigen Zukunftsgerümpel.
Und die dann vorher doch noch entrümpelten Dinge schön an ihren Platz zurückbringen. Einmal die ganzen Gänge zurück und alles schön ordentlich wieder an seinen Platz zurückräumen bitte! Wenn man dann endlich wieder in der Kassenzone ist, die Warteschlange sich dann vielleicht verdreifacht hat, ist das ist auch eine Umständlichkeit, an du dich dann anschließend vermutlich nur ungerne erinnern wirst. Idealerweise setzt diese Erinnerung dann aber künftig genau in den Situationen ein, in denen du gerade wieder dabei bist, unnötiges Zukunftsgerümpel zu kaufen. Wie war das noch? Ach ja, Minimalismus vor der Kassenzone: Unsinniges Zeug zurück bringen – alle Gänge zurück – Warteschlange verdreifacht –– Kinder zetern – Nerven blank… Brauch ich das wirklich…?
Unter’m Strich:
Lerne dich und die Verführungen der Konsumindustrie kennen und baue einige Schutzwälle gegen all die geschickten emotionalen Verkaufsverführungen. Indem wir uns selbst ein wenig ausbremsen, Umständlichkeiten einbauen, uns mit einigen ganz persönlichen Sonderregelungen beschäftigen, haben Einkaufsentscheidungen, die meistens eher aus dem Bauch heraus getroffen werden, die Chance, erstmal einen Umweg durchs Gehirn zu nehmen. Das ist nicht immer einfach, auch ich bin da nicht perfekt, aber es hilft, sich auf die Dinge zu konzentrieren, die wir wirklich benötigen und die uns wirklich gut tun.
Es könnte (zusätzlich) auch helfen, entweder eine vernünftige , neutrale Persopn dabei zu haben oder einer solchen nach dem Bummel zu erzählen. Allerdings wird man das als Shoppingsüchtiger nicht tun, man erzählt erst hinterher was man alles Tolles bekommen hat und nimmt im Zweifelsfall sogar Shoppingsüchtige mit. Wer erzählt, dass er einen Rat braucht oder einfach nur darüber reden möchte, ob und was sinnvoll ist wird u.U. als schwach oder unentschlossen eingestuft.
So ist die Konsumgesellschaft. Lieber den Klimbim sofort teuer kaufen als eine offene Frage zu klären und sich Kritik einzuhandeln. Alles sofort und für mich, aber jetzt und ohne Widerrede ! Das ist nicht einfach, wir sind über Jahrzehten mit solchen Werbebotschaften, sich etwas zu gönnen, zwischendurch und ohne schlechtes Gewissen.
Die vermeintliche Schwäche unentschlossen zu sein ist eine Geheimwaffe. Nicht Unsicherheit , sondern Überlegen und Abwägen. Das ist am Ende ein echtes Überlegen sein. Die Werbung kann man dann in die Tonne treten, die Ohren einklappen, und die Werbereize im Laden ignorieren.
Niucht immer ist so eine Person zur Hand. Dann heißt es Zeit gewinne. Entweder läuft eine solche bald vorbei, kann angerufen werden oder man muss notfalls nach einer Weile mit sich selbst ausmachen, was Sache ist. Nach einiger Zeit wird man merken, ob man das Teil kaufen möchte oder eben nicht. Vielleicht sind die Motive dann auch klarer : Angeberei, Ersatzhandlung (z.B gegen Einsamkeit shoppen), echter Bedarf oder pure Schönheit, vielleicht sogar funktional, jedem das seine.
Unter’m Strich bleibt es wohl immer die entscheidende Frage: Will und brauche ich dieses Ding – oder steckt doch irgendwas ganz anderes dahinter? Selbst wenn man allen Leuten alles mögliche erzählt, ist es gut, zumindestens sich selbst gegenüber ehrlich zu sein. Das ist aber auch nicht so einfach, auch nicht für mich. Schließlich werden uns ständig irgendwo her irgendwelche Wünsche von der Konsumindustrie eingetrichtert. Da ist es nicht einfach, die wirklichen eigenen Bedürfnisse überhaupt erstmal zu entdecken.
Auch bei Online-Käufen lohnt es sich, eine Woche zu warten und den Warenkorb immer wieder durchzugehen. Und bei Salben nur die kleine Tube kaufen. Im Verhältnis teurer. Aber ich verbrauche sie eh nicht in dem Haltbarkeitszeitraum. Bei Lebensmittel sparen, hm. Wegen Allergien irgendwie schwer.
Salben – das ist ein Stichwort. Da sind die teuren kleinen Packungen wirklich unterm Strich preisgünstiger. Habe neulich erst eine große Salbenpackung entsorgen müssen – war fünf Jahre überm Datum. Ging echt nicht mehr. Bei Lebensmitteln habe ich festgestellt, dass ich obwohl inzwischen ca. die Hälfte Bio kaufe, trotzdem nicht mehr Geld ausgebe. Allerdings lasse ich konsequent Fertigsachen und Fastfood weg und schaue sehr genau hin. Manchmal sind die konventionellen Sachen im Supermarkt sogar teurer als die Biosachen aus dem Bioladen. Man muss halt nur genau vergleichen. Lohnt sich.
Vom Möbelladen zur Salbentube, wieder was gelernt, herrlich !
Genau da finde ich Minimalismus spannend. Ist erstmal das Gröbste entrümpelt, kommt man von „Hölzchen auf Stöckchen“ und entdeckt im Laufe der Zeit wirklich tausend interessante Themen, die vorher unter der „Konsumdecke“ vergraben waren.