Meditation als körperliche Herausforderung
Regelmäßig zu meditieren, speziell die Sitzmeditation, stellt sicher immer eine gewisse köperliche Herausforderung dar. Wir sind es üblicherweise nicht gewohnt, regelmäßig eine längere Zeit ruhig in einer bestimmten Position zu sitzen. Auch körperlich gesunde Menschen ohne jede Einschränkung spüren dann schon mal die steifen Gelenke, mal zwickt es hier, mal dort. Im Laufe der Zeit lernt man dann, wie man mit solcherlei Einschränkungen oder Missempfindungen umgehen kann. Aber Meditation mit körperlichen Handicaps – geht das?
Mein persönlicher Weg
An anderer Stelle hatte ich schon einige Male von meinen körperlichen Einschränkungen berichtet. Siehe z.B. Achtsamkeitsübungen bei körperlichen Einschränkungen oder Achtsamkeit und körperliche Beeinträchtigungen – meine Erlebnisse
Ich meditiere seit 8 Jahren trotzdem, aber anders. Einen geeigneten Weg zu finden, war und ist allerdings ein langer Weg. Ich lebe mit Fehlstellungen von Füßen, Beinen und Hüfte, hinzu kommt nicht zusammen gewachsener 5. Lendenwirbelbogen und überdehnbare Gelenke. Seit einigen Jahren bin ich zudem schwerhörig und benötige Hörgeräte. Die Folgen sind, dass ich schneller, als der „Durchschnitts-Meditierende“ an meine körperlichen Grenzen komme, muskulär verspanne, manches geht überhaupt nicht. Daher bin ich natürlich immer auf der Suche nach Tipps, Ideen und Anregungen.
Suche nach Anregungen und Hilfen
Vor längerer Zeit entdeckte ich, dass es spezielle Meditationskurse für Menschen mit chronischen Schmerzen gibt. Die Gründerin und Meditationslehrerin Vidamayala Burch litt nach einem Unfall an chronischen Schmerzen und hat diese besondere Form der Achtsamkeit entwickelt. Sie ist also eine Betroffene, was ich schon mal sehr überzeugend finde.
Da meine Einschränkungen aber anders gelagert sind, habe ich keine persönlichen Erfahrungen mit dieser Meditationsform. Da ich auch ansonsten keine ganz speziell auf orthopädische Handicaps ausgerichtete Achtsamkeitspraxis gefunden habe, habe ich selbst ausprobiert und bin dabei zu folgenden Erkenntnissen gekommen. Vielleicht helfen diese ja den ein oder anderen LeserInnen, die selbst mit orthopädischen Problemen zu tun haben:
Meditations-Tipps für Menschen mit orthopädischen Handicaps
- Es ist sehr hilfreich und wichtig, die Wahrnehmung des eigenen Körpers zu verbessern. Das geht auch mit orthopädischen Einschränkungen. Der Bodyscan ist im Sitzen oder Liegen möglich und bietet eine ideale Ausgangsübung. Einige Anleitungen dazu sind hier zu finden: Achtsamkeitsübungen
- Versuche nicht, „normal“ zu sein und unbedingt mithalten zu wollen. Überschreite nicht gewohnheitsmäßig deine eigenen Belastungsgrenzen. Auch dann nicht, wenn dir dies von anderen Menschen empfohlen werden sollte. Erfahrene und einfühlsame Meditations- und Achtsamkeitslehrer nehmen in der Regel Rücksicht, weisen idealerweise auf die nötige Selbstfürsorglichkeit hin. Trotzdem sind sie in der Regel körperlich deutlich fitter und gesünder und können nicht in deinen Körper hineinschauen. Warte daher nicht und verändere rechtzeitig deine Körperhaltung oder lege Pausen ein.
- Nimm deinen Körper ernst, nimm deine Einschränkungen ernst, aber lass dich nicht davon allzu sehr begrenzen. Je nach persönlicher Einschränkung besteht die Gefahr, dass die Wahrnehmung des eigenen Körpers irgendwann so ins Zentrum der eigenen Wahrnehmung gerät, dass dies zu einer unnötigen Selbstbegrenzung wird.
- Du hast einen Körper, aber du bist mehr als dein Körper. Übe dich daher immer auch in der Achtsamkeit der Gedanken und Gefühle.
- Schaffe Ausgleiche, suche gezielt nach Meditationshaltungen und Formen, die dich entlasten. Meditationskissen, Lotussitz, Meditationsbänkchen – all das kann, muss aber nicht sein.
- Gehe auf deine persönliche Entdeckungsreise, welche Haltung ganz persönlich für dich gut ist. Verschiedene Stühle, Sessel, Sofa, Balkonliege, ein kleines Kissen im Rücken, Erhöhung für die Beine, Abstützung für den Kopf oder in welcher Haltung auch immer: Was davon tut gut? Welche Haltung hilft und unterstützt dabei, besser in den Prozess des Meditierens hinein zu finden? Welche Haltung überlastet oder blockiert? Sieh diese persönliche Entdeckungsreise als eine deiner wichtigsten und zentralsten Meditationsübungen an, wenn du mit und trotz körperlicher Handicaps meditieren willst. Diese Entdeckungsreise ist gelebte Metta-Meditation, also eine wichtige Übung zur Selbstfürsorge für Menschen mit körperlichen Handicaps.
- Finde deinen eigenen Meditationsablauf. Es kann hilfreich sein, Geh- und Sitzmeditation in kürzeren Abständen abzuwechseln oder durch einige, geeignete achtsame Yogaübungen zu ergänzen.
Nachteile ausgleichen statt mithalten
Zusammenfassend kann ich sagen, dass Meditation mit körperlichen Handicaps natürlich möglich ist. Es geht jedoch nur, indem man sich keinerlei Druck und Stress macht, mit irgendwelchen „Durchschnitts-Standards“ und „allgemein gültigen Regeln“ mithalten zu wollen, denn diese sind auf die „normale“ und „übliche“ körperliche Belastbarkeit ausgerichtet.
Eine Orientierungshilfe ist, dass die körperlichen Begrenztheiten im Zusammenhang mit der körperlichen Meditationshaltung nicht dazu führen, dass die Meditation dauerhaft davon dominiert oder sogar blockiert wird. Die eigenen orthopädischen Einschränkungen durch Hilfsmittel oder Veränderungen in Haltung und Ablauf ein wenig auszugleichen, erscheint mir viel sinnvoller.
Die wichtigste Achtsamkeitsübungen für Menschen mit orthopädischen Handicaps
Die äußere Haltung sollte so sein, dass sie hilft, zu einer inneren Haltung zu finden. Bei Menschen mit orthopädischen Handicaps muss diese äußere Haltung individuell an die Einschränkungen angepasst und immer wieder überprüft werden. Die aus meiner Sicht wichtigste und zentralste Achtsamkeitübung für diesen Personenkreis ist daher die, immer wieder aufs Neue achtsam auszuprobieren und erspüren, was möglich ist und was hilft, besser in den Prozess des Meditierens hinein zu finden.
Ich hatte im Juni die Gelegenheit an einem Breathworks Retreat mit Vidyamala Burch teilzunehmen. Was für ein Erlebnis! Was du in deinem Beitrag schreibst kann ich nur bestätigen – Vidyamala ist sehr authentisch.
Der Retreat ist ein 5 Tage Immersion Retreat https://bit.ly/2Pg2Wab und vermittelt alles was in einem 8 Wochen Breathworkskurs gelehrt wird (zZ nur in England/auf Englisch). Bewegung ist ein Hauptthema in den Kurs, in ’normalen‘ MBSR Kurse wird nur wenig Anleitung und Hintergrund dazu geliefert aus meiner Erfahrung. Das wurde im dem Kurs von den anderen Teilnehmern auch immer wieder bestätigt. Für Menschen mit chronischen Krankheiten/Schmerzen, oder wie du schreibst orthopädischen ‚Handicaps‘, kann das eine Hürde sein um mit dem Meditieren anzufangen und/oder weiterzuverfolgen.
Super war natürlich das ich mich mit ‚Leidensgefährten‘ austauschen konnte und verbunden fühlte da jeder von uns mit irgendwelchen gesundheitlichen Herausvorderungen sein tägliches Leben lebt. Habe viele Tips bekommen, Ermutigungen erfahren und fand den Retreat sehr berreichend.
Hallo Conny, herzlichen Dank für deinen Erfahrungsbericht. Es ist wirklich phantastisch, was du schreibst 🙂 Ich nenne es mal den achtsamen Umgang mit der Achtsamkeit. DIE eine Variante fürs Meditieren gibt es einfach nicht. Lösungen sind sehr individuell, gerade wenn man irgendwelche gesundh. Einschränkungen hat.
Ich bin der Meinung, dass man zum Meditieren nicht unbedingt sitzen muss. Klar ist das die gängige Körperhaltung, aber man soll sich doch auch wohl fühlen. Ich liege vorzugsweise beim Meditien.