Minimalisiert – und plötzlich ist doch wieder Kram da…?
Manchmal ist es einfach so: Endlich sieht man was vom Minimalismus in den eigenen vier Wänden. Mühsam Platz geschafft, entrümpelt, Freiräume geschaffen. Doch irgendwann dann, wie durch Geisterhand und auf ganz geheimnisvolle Weise haben doch wieder zahlreiche T-Shirts, Hosen und Schuhe auf verschlungenen Pfaden ein Plätzchen im eigentlich entrümpelten Kleiderschrank gefunden. Oder der Kleiderschrank war ohnehin eigentlich voll und nun stehen da die Einkaufstüten mit all den neuen Sachen drin und die Frage drängt sich auf: Wohin mit dem Kram? Beim neuen Smartphone ist die zumindestens die Frage der Unterbringung leichter, es ist ja recht klein… Wären da nicht die diversen älteren Smartphones und Handyknochen, die sich da noch munter in der Schublade tummeln, zusammen mit den diversen Ladenkabeln, Adaptern und was der moderne Mensch halt noch so in seiner Schublade hortet.
Da kann die Freude über ein neues Produkt dann doch wieder schnell verblassen und vielleicht macht sich ein Gefühl der Unzufriedenheit breit oder aber es bleibt der schale Nachgeschmack nach einer – eigentlich unsinnigen – Shoppingtour. Die Gedanken kreisen plötzlich um die Frage, ob das neue Handy nun wirklich so viel besser ist, als das alte. Oder warum nun doch wieder der Kaffee, die Pizza, Fastfood unterwegs, obwohl ich das doch eigentlich nicht mehr wollte. Was soll das? Warum passiert das immer wieder? Was brauche ich wirklich?<
Mitten im Getümmel, mitten im Geschäft, im Shoppingcenter, in den vielen visuellen und akustischen Ablenkungen, Angeboten, Verführungen: Es gibt Situationen, da ist es einfach schwierig und manchmal scheint es, fast unmöglich, sich noch nach guten Vorsätzen und Vernunftsentscheidungen zu orientieren. Ehe wir uns versehen, landet irgendein Kram im Einkaufswagen, ist die vielleicht gerade entrümpelte Wohnung doch wieder mit diesen oder jenen Dingen voll gestellt.
Woran liegt es, wenn ich mich doch wieder zugerümpelt habe und was kann ich tun?
Vernunftsentscheidungen sind ja so eine Sache… Sie funktionieren meist prima, wenn es uns gut geht, wir konzentriert bei der Sache und insgesamt ausgeglichen sind. Aber was ist, wenn all das gerade nicht der Fall ist? Also beispielsweise dann, wenn die Ablenkung hoch oder die Stimmung besonders gut oder schlecht ist? Der prima Stimmung im Urlaub sind Vernunftsentscheidungen manchmal eben völlig egal, ebenso, wie der schlechten Stimmung nach einem vielleicht besonders anstrengenden Arbeitstag. Der Wunsch sich etwas Gutes zu tun, ist zudem ja auch nachvollziehbar und eigentlich sinnvoll. Aber:
Was brauche ich hier und jetzt?
Was ist denn wirklich gut für mich? Wie geht es mir jetzt, hier in diesem Moment? Wie fühlt sich mein Körper an? Wie fühle ich mich? Welche Gedanken gehen mir durch den Kopf?<
Wie bewege ich mich gerade durch all das hindurch, was um mich herum geschieht? Beispielsweise in einem Geschäft: Welche Angebote sprechen mich an? Und warum? Wovon lasse ich mich ablenken? Was wollte ich ursprünglich hier? Wollte ich hier überhaupt irgendwas? Wie angespannt, entspannt, gestresst, gereizt oder erholt bin ich jetzt? Was ist vielleicht vorher passiert?<
Solche Fragen lassen sich gerade auch unterwegs beim Einkaufen, nach dem anstrengenden Arbeitstag, beim Warten auf den verspäteten Zug stellen. Es geht darum, in sich hinein zu spüren und zu schauen, wie gerade die eigene Befindlichkeit ist.
Achtsames Gehen als gelebter Minimalismus in Bewegung
Ich bemerke immer wieder, dass ich dann, wenn ich unterwegs bin, mir meiner eigenen aktuellen Befindlichkeit bewusster werde, wenn ich achtsames Gehen insbesondere auch beim Gang durch Geschäfte, Straßen, Bahnhöfe und wo auch immer übe. Nichts kaufen, sondern gehen. Gehen macht den Kopf frei, baut Spannungen ab. Geschieht dieses Gehen dann bewusst und achtsam, dann bietet es die Möglichkeit, deutlicher in sich hinein zu spüren und wahrzunehmen, was gerade alles um mich herum geschieht: Die säuselnde Musik, die bunten Lichter, attraktive Auslagen in den Geschäften, Stimmengewirr, das Geklapper von Einkaufswagen,…
Abstand / Raum schaffen – den Kopf klar bekommen
Sich selbst in der gerade aktuellen Verfassung und Situation deutlicher zu spüren, schafft Abstand: Abstand zur eigenen aktuellen Befindlichkeit, Abstand zu all den Kaufanreizen und was sonst passiert. Die eigene Stimmungslage mag gerade sein, wie sie ist, ebenso all die Dinge um mich herum, aber indem ich all dies erstmal wahrnehme und nicht gleich reagiere, habe ich mehr Möglichkeiten wirklich nach dem eigenen Bedarf auszuwählen: Brauche ich dieses Handy oder jenes T-Shirt tatsächlich? Oder brauche ich etwas ganz anderes? Brauche ich vielleicht einfach Erholung, ein gemütliches Beisammensein mit Freunden oder Familie? Eine Joggingrunde durch den Park? Oder einfach mal etwas Ruhe?
Ich habe auf diese Weise beispielsweise festgestellt, dass ich mich gerne von dem Duft frischer Backwaren aus einer Bäckerei angesprochen fühle. Spüre ich dann aber erstmal bewusster in mich hinein, gehe einige Schritte auf und ab, stelle ich oft fest, dass ich oftmals überhaupt keinen Appetit darauf habe. Es riecht halt nur gut. Und wenn, dann möchte ich höchst selten und nur bei großem Hunger irgendwas unterwegs auf dem Weg von A nach B essen. Wenn essen, dann lieber gemütlich hinsetzen und genießen, statt unterwegs irgendwas in mich rein zu stopfen.
Die formale Gehmeditation
Die formale Gehmeditation ist eine ideale Übung, um mit einiger Übung auch unterwegs achtsam gehen sein zu können.Als Ausgangsübung ist es hilfreich, zunächst einmal unabgelenkt erste Erfahrungen mit dieser Form der Meditation zu machen und idealerweise öfter zu wiederholen. Gehmeditation ist auch dann hilfreich, wenn der Zugang zur Sitzmeditation schwierig oder unmöglich erscheint. Die Gehmeditation hilft, um Laufe der Zeit, ein besseres Gespür für sich selbst und die eigene aktuelle Befindlichkeit zu entwickeln, aber auch das aktuelle Umfeld bewusster wahrzunehmen. Nachfolgend daher eine Anleitung für eine Gehmeditation, die als PDF-Datei, sowie als RTF-Datei (für Sehbehinderte) kostenlos herunter geladen werden kann:
Download:
- PDF-Datei: Anleitung für eine formale Gehmeditation
- RTF-Datei: Anleitung für eine formale Gehmeditation
Link Achtsamkeit und Meditationskurse: MBSR-Verband, Adressenliste
Mich hat gerade die Frage „Was ist denn wirklich gut für mich?“ getroffen. Die nehme ich mal für mich mit. Ich esse nämlich immer noch zu viel Süßigkeiten für meinen Körper und habe da noch keinen dauerhaften Weg der Veränderung gefunden. Meine große Baustelle.
Danke!
Hallo Nanne. Mein Eindruck ist, dass Zucker ein Suchtstoff ist. Hinzu kommen dann in den üblichen Süßigkeiten noch irgendwelche Appetitanreger etc. – Bei mir hat es rd. 2 Wochen gedauert, bis ich vom „Zucker-Trip“ runter war.
Hallo Gabi,
kannst Du bitte Deine Anleitung für eine formale Gehmeditation alternativ noch als reine TXT-Datei zur Verfügung stellen. Das PDF-Format ist nicht immer barrierefrei lesbar für Screenreader.
Danke!
Ja klar. Danke für den Hinweis, wusste ich nicht. Daher danke!
Hallo Matthias,
bereits erledigt, die Gehmeditation gibts jetzt auch als RTF-Datei. Die ganzen anderen PDF-Downloads auf meiner Webseite stelle ich dann nach und nach auch nochmal auf die barrierefreien Variante um. Das dauert dann aber ein wenig, sind nämlich doch so etliche Dateien …
Moin Gabi, es freut mich sehr, dass du über achtsames Gehen schreibst. Ich selbst übe jeden Samstag morgen im Garten Kinhin(langsames Gehen) als Teil meiner Meditation. Das Sitzen nach dem Kinhin hat eine andere Qualität. Ich freue mich daher schon immer auf das Gehen in Zeitlupe. Egal, was die Nachbarn denken.
Hallo Dieter, ich finde, Gehen als fester Bestandteil einer Meditation ist wirklich so unendlich wertvoll. Das formale Üben gehört für mich einfach dazu und schafft dann auch eine gute Basis für den Alltag. In einem Garten üben zu können, hat natürlich etwas – klasse 🙂