Minimalismus-Wohnung: Wohnen fühlen

Minimalismus-Wohnung: Wieviel oder wie wenig soll es sein?

Wohnen – ein menschliches Grundbedürfnis, Sicherheit, zur Ruhe kommen, Zuhause sein. Mein geplanter Umzug wirft einige Fragen neu auf: Was brauche ich wirklich? Wieviel oder wie wenig kann und soll es sein? Muss es all das sein, was ich meine haben zu müssen? Was stellt „man“ denn so üblicherweise in die Wohnung und sind dies genau die Dinge, die ich wirklich haben will? Was sind meine wirklichen Bedürfnisse? Womit fühle ich mich wohl?
Ich habe es mal Wohn-Fühlen genannt: Spüren, erspüren, erfühlen: Was und wieviel brauche ich?

Achtsam durch die Möbelhäuser…

Achtsamkeit lässt sich auf alle Bereiche des Lebens anwenden. Natürlich auch auf das Wohnen. Ich habe mich nochmal intensiver damit befasst und interessante Aspekte gefunden:

Ebenso, wie in einer Sitzmediation immer wieder Gedanken, Gefühle, körperliche Reaktionen auftauchen, ich diese bewusst wahrnehmen und auch wieder loslassen kann, so bin ich einfach mal durch diverse Möbelhäuser gegangen: die virtuellen im Internet und auch ganz praktisch vor Ort. Ich habe mich achtsam auf die Suche begeben, welche Bedürfnisse, Gefühle, Gedanken in mir aufkommen, ohne dass ich gleich anfange diese zu werten, einzuordnen oder irgend etwas konkret zu planen. Ich habe all meinen spontanen Gedanken, Ideen, Gefühlen, Wünschen einfach freien Lauf gelassen und habe die Dinge, Möbel, Gegenstände auf mich wirken lassen. In meiner Phantasie wurde dann meine künftige Wohnung endlose Male eingeräumt, eingerichtet, umgeräumt. Ich habe Vorstellungen entwickelt und wieder verworfen. All das, ohne wirklich etwas zu kaufen, aber auch ohne, dass ich mir irgendeinen Wunsch verkniffen hätte. Ich habe all das einfach mal fließen lassen.

Mein Erleben

Achtsames Wahrnehmen meiner Kauf- und Wohnbedürfnisse (oder was ich dafür halte): Es war spannend. Weder bin ich wirklich zur Kasse gestürmt, um gleich was zu kaufen, noch habe ich irgend einen Wunsch vorzeitig verworfen. Auf meinem Laptop habe ich mittels einer entsprechenden einfachen Software den ungefähren Grundriss der künftigen Wohnung aufgezeichnet und dann nach Herzenslust Möbel hin und hergeschoben, ein- und wieder ausgeräumt. Es hat mir einen großen Spaß gemacht, denn ich konnte all meine spontanen Kaufwünsche austoben, ohne dass ich nur einen einzigen Cent ausgegeben habe und ohne, dass ich mich anschließend über zuviel Zeugs in der Wohnung ärgern muss. Dabei wurde mir deutlich, wie oft ich Ideen entwickelte und dann doch wieder verwarf. Nicht selten hatte ich das Gefühl, dass ich dieses oder jenes Teil unbedingt wirklich und ganz real haben muss. Aber einige Stunden oder Tage später nochmal hingeschaut, war es mir dann egal, wollte ich etwas ganz anderes.

All die Sprunghaftigkeit des Denkens und Fühlens, die auch in der formalen Meditationspraxis auftauchen, genau diese Sprunghaftigkeit entdeckte ich nun bei meinen Phantasien, wie nun die künftige Wohnung aussehen soll oder eben auch nicht.
Sehr hilfreich war meine Erfahrung aus der eigenen formalen Meditationspraxis. Diese Erfahrung konnte ich nun auch für diese praktischen Bereiche nutzen: All das, was ich dachte, fühlte, meinte, kaufen wollte oder auch nicht – all das einfach wieder loslassen und statt dessen mich und meine Reaktionen wahrnehmen, spüren und feststellen: Ich habe gelegentlich durchaus alle möglichen Wünsche, aber viele dieser Wünsche kommen und gehen wirklich wie die vorüberziehenden Wolken am Himmel.

Mein persönliches „Wohnfühlen“

Wenn ich also all mein Erleben und Fühlen erlebe und durchlebe, aber dann innerlich auch immer wieder loslasse, so entdecke ich langsam mein wirkliches persönliches Wohnfühlen:

  • Für mich muss es in der Wohnung nicht so viel und schon gar nicht voll sein.
  • Ich liebe es, wenn ich Platz um mich herum habe.
  • Minimalismus ist für mich kein Prinzip, sondern ein Bedürfnis. Insbesondere ist es für mich ein Bedürfnis nach Ruhe, Übersichtlichkeit, Leichtigkeit, Klarheit.
  • Ich verändere immer mal wieder gerne. Mal stehen die Möbel hier, mal dort.
  • Ich mag natürliche Materialien, wie Massivholzmöbel. Die vielen Kunststoffmöbel und Plastiklampen, die derzeit offensichtlich modern sind, rufen Unbehagen in mir hervor.
  • Ich hänge nicht an ganz bestimmten Dingen/Möbeln. Manche Möbel habe ich schon sehr lange, aber gäbe es sie nicht und ich hätte andere, wäre das auch ok.
  • Es ist sehr entspannend und befreiend, all die spontanen Wünsche in der Phantasie mit all dem damit verbundenem Denken und Fühlen auszuleben, aber dieses ganze Spektakel anschließend einfach auch mal nicht ganz so wichtig zu nehmen.
  • Es gibt viele Wünsche, die sich zwar gelegentlich ein fröhliches Stelldichein geben, aber diese sind nicht zwangsläufig auch mein Bedarf, mein Bedürfnis und nicht das, womit ich mich letztlich wirklich wohlfühle.
  • Wohnen geht auch viel einfacher – das entspannt, entlastet und reduziert Stress.
  • Eine Wohnung voller Dinge bedeutet noch lange kein erfülltes Leben!

Wohlfühlen kann sehr unterschiedlich sein

Natürlich: Meine Bedürfnisse an Wohnfühlen, sind erstmal meine Bedürfnisse. Diese können sich ganz erheblich von denen anderer Menschen unterscheiden. Das ist kein Drama, sondern menschlich und ich finde auch höchst spannend und interessant.

Achtsamkeit im Alltag

Wohnfühlen – mit Achtsamkeit und freundlich die eigenen Wünsche, Ideen, Phantasien registrieren, aber auch wieder loslassen. Noch sind längst nicht alle Entscheidungen bei mir getroffen, aber das ist unwesentlich und vielleicht auch ohnehin gar nicht so wichtig. Viel wichtiger ist es für mich, wieder einen Bereich der Alltagsachtsamkeit entdeckt zu haben, der mich sicherer unterscheiden lässt, was ich nur haben will oder was ich wirklich brauche. An Dingen, Gegenständen und Möbeln ist das bei mir längst nicht so viel, wie ich das gelegentlich meine.

 

„Spiritual practice is not just sitting and meditating. Practice is looking, thinking, touching, drinking, eating and talking. Every act, every breath, and every step can be practice and can help us to become more ourselves.“ Thich Nhat Hanh

 

 

 

6 thoughts on “Minimalismus-Wohnung: Wohnen fühlen

  1. Hallo Liebe Gabi,
    „Das ist weder gut, noch schlecht. Sich nicht die Wohnung gewohnheitsmäßig mit irgendwas voll zu stellen, aber auch nicht alles auszurangieren, weil es ja so schön minimalistisch ist,…“
    das ist gut gesagt. Ich bin auch schon dem Wahn aufgesessen, alles muss weg, dies oder jenes habe ich schon ein Jahr nicht mehr benutzt….. aber manchmal fühlt sich das nicht gut an, „das weg damit“! Besser man hinterfragt sein Gefühl dahinter. Ich wohne schon sehr lange in einer großen Wohnung und werde mich nicht von meinen Möbeln trennen, auch wenn die Schränke immer leerer werden, da mir die Wohnung sonst zu kahl wäre. Sollte ich jemals umziehen, wie du in eine 35 m² Wohnung könnte ich mich sicher von einigen Stücken trennen. Vielleicht musst du auch mal durch deine alte Wohnung gehen und versuchen für das ein oder andere Stück einen anderen Verwendungszweck zu finden. Bei mir wurde schon aus einem großen Nachtkästchen der Sportkleiderschrank oder aus einem Garderobenschrank der Wohnzimmerschrank mit Büchern und Spielen bestückt. Also viel Spass beim gedanklichen umräumen deiner Wohnung.

    1. Oh, sowas liebe ich – immer mal was anders machen bzw. verwenden. Ich liebe sowas beispielsweise bei der Unterbringung von Kleidung, da ich – warum auch immer – irgendwie nichts mit den üblichen Kleiderschränken anfangen kann. Bei mir war es schon immer so, dass ich nicht sonderlich an diesen oder jenen Möbelstücken gehangen habe, aber das ist letztlich unwichtig. Denn es geht um Wohlfühlen und das ist ja durchaus sehr unterschiedlich – ebenso wie Geschmäcker halt auch unterschiedlich sind. Das ist ja auch sehr belebend, finde ich.

  2. Leicht und schnell verschiebbar sollen die Möbel bei mir sein, auf 4 Lappen damit ich die Möbel eben mal auf dem Laminat verrutschen kann. Das ist mir wichtig. Und, dass der Raum schnell veränderbar ist. Deshalb lasse ich den Balkon frei. Ich esse da nicht. Brauche also keinen Tisch nur ein kleiner Mammuthocker, der ständig im Einsatz ist für Kaffeetasse, Wäschekorb. Welche Abläufe mache ich in welchem Zimmer? Ich habe höchstens 2 Besucher, brauche also nur 3 Stühle und koche nicht für andere. Deswegen habe ich Singletöpfe und wenig Geschirr. Hab mir eben ein Steißbeinkissen bestellt. Endlich! Ich investiere in mein Wohlfühlen! Mir ist jeder Stuhl zu hart! Das wird entweder ein Produkt, das ich mir die nächsten 10 Jahre immer wieder kaufe oder eine Flaute und es geht sofort zurück. Die Sachen, die richtig gut sind kaufe ich mir immer wieder. Spannend deine Exkursion. Wie viel nutzen wir am Ende tatsächlich? Oder steht es nur herum? Wurde finanziert … Bin gespannt auf weitere Beiträge. Lg Tanja

    1. Hallo Tanja, genau so etwas meine ich: Wirklich mal ganz individuell hinschauen. Jede/r hat andere Bedürfnisse, andere Gewohnheiten. Koche ich gerne und viel – oder wenig und eben nicht für Gäste? Der Bedarf an Kücheneinrichtung ist dadurch nunmal ganz unterschiedlich. Das ist weder gut, noch schlecht. Sich nicht die Wohnung gewohnheitsmäßig mit irgendwas voll zu stellen, aber auch nicht alles auszurangieren, weil es ja so schön minimalistisch ist, sondern es sich leisten zu können, genau wahrzunehmen, was ich brauche und was mir gut tut: Das ist für mich der wahre Luxus unserer heutigen Zeit.

  3. -Danke, das Du mich an Deiner „Reise durch´s ich“ teilhaben läßt.
    Ich finde es sehr spannend und Deine offene Art und die Ehrlichkeit zu Dir selbst sehr wohltuend.

    1. Hallo Hope, Ehrlichkeit zu sich selbst – ich finde, das ist der Schlüssel fürs Wohlbefinden. Mir ist es letztlich nur wichtig, Achtsamkeit und Minimalismus ganzheitlich zu betrachten und versuche, genau das in meinen Blogbeiträgen an einigen konkreten Beispielen zu verdeutlichen. Ich möchte niemanden belehren, niemanden bekehren, habe „die Weisheit auch nicht mit Löffeln gefressen“ und es gibt ja auch schon so viele gute Texte, Erklärungen, Definitionen, Bücher, Ratgeber. Letztlich zählt unter’m Strich doch der ganz konkrete Alltag mit all dem, was manchmal wichtig oder auch belanglos erscheint. Die Frage, was ich fühle, wie ich „ticke“, finde ich dabei ganz wesentlich, um mir von unserer Konsumgesellschaft nicht irgendeinen Unsinn einreden zu lassen und fürs eigene Selbstwertgefühl ist es nebenbei auch sehr schön.

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