Digitaler Minimalismus statt Reizüberflutung

Unsere digitale Welt hat viele Möglichkeiten. Ich schätze diese sehr mit all ihren Geräten, mit all den vielfältigen Vernetzungs- und Informationsmöglichkeiten. Oft denke ich, wie schön es gewesen wäre, hätte ich diese Möglichkeiten als Jugendliche und junge Erwachsene gehabt. Damals habe ich manchmal wochenlang auf irgendein Buch gewartet, um an Informationen heran zu kommen. Und Telefonieren war auch so ein Thema. Einige ganz wenige Telefonate im Monat, immer schön nach 21 Uhr, damit es nicht so teuer wird. Eine Wahlwiederholung hatte mein erstes eigenes Telefon noch nicht. Es war grün, hatte eine Wählscheibe und hing an einer in der Wand fest installierten Schnur. Mit meinen wenigen Telefonaten kam ich auf rund 35 DM im Monat. An ein Fax war noch gar nicht zu denken. Das erste 20-bändige Taschenlexikon war dann eine aufregende Sache. So viele Informationen auf so relativ wenig Raum. Ich stöberte stundenlang in den Büchern – nicht, weil ich eine bestimmte Information suchte, sondern einfach so, weil es so schön war und so einfach und so informativ.

Heute ist dies alles viel einfacher. Es gibt kaum eine Information, die nicht irgendwo im Internet zu finden ist. Ich bin auch nicht mehr gezwungen, das halbe Ruhrgebiet nach irgendeiner passenden Hose abzusuchen, die mal nicht zu kurz für mich ist. Insbesondere muss ich nicht notgedrungen irgendwo in der Herrenabteilung nach einer Jeans schauen, die zwar lang genug ist, aber der Schnitt für mich als Frau nunmal nicht passt. Bin ich froh, dass dieser Zirkus vorbei ist! Finde ich nichts vor Ort, bestelle ich meine Hosen im Internet.

Ich genieße diese digitale Welt, ich nutze sie auch. Trotzdem: Es gibt auch ein Leben ohne ständig aufploppende Nachrichten am Smartphone und auch außerhalb des Laptop-Rahmens findet eine Menge Leben statt. Um etwas zu notieren, brauche ich nicht jedesmal irgendeine App auf dem Handy. Da reicht meistens auch ein gewöhnliches Notizbuch und ein Stift. Das ist viel unabgelenkter und irgendwie auch sinnlicher. Es ist insbesondere einfacher, mal nur den eigenen Gedanken nachzuhängen oder in sich hinein zu spüren.

Notizbuch mit Füller

Die digitale Welt sorgt dagegen für ständige Ablenkbarkeit. Die Gefahr von Reizüberflutung ist hoch. Auch wenn sich in der digitalen Welt vieles entdecken lässt, es besteht die Gefahr, dass wir dabei das Wichtigste verlieren: Uns selbst. Aus diesem Grund habe ich mich vor ca. 4 Monaten Zeit zunächst von Facebook, später auch von Twitter verabschiedet. Instagram ist mir zu aufwändig. Fotos machen und mir Hashtags überlegen, wenn ich mich einfach mal über das Social-Media-Netz ein wenig austauschen will, finde ich zu umständlich. Ich habe doch nicht meine Arbeitszeit reduziert, um die dann zur Verfügung stehende Zeit mit solch aufwändigen Dingen zu verbringen. Da schaue ich doch lieber mal bei den unterschiedlichsten Bloggern vorbei, die immer wieder Interessantes zu erzählen haben.

Erfreulicherweise gibt es auch die Minimalismus-Stammtische, sowie die auch in diesem Jahr stattfindende Minimal-Kon, das Jahrestreffen für Minimalismus-Interessierte aus dem deutschsprachigen Raum. Es gibt also immer noch zahlreiche Möglichkeiten, sich über Minimalismus und „Gott und die Welt“ auszutauschen, ohne dass irgendein Social-Media-Algorithmus darüber entscheidet, was ich sehe oder nicht.

Die Herausforderung und Chance unserer Zeit ist es, die digitalen Möglichkeiten zu nutzen, sich aber nicht davon dominieren zu lassen. Damit haben wir die phantastische Möglichkeiten, die Vorteile der analogen und digitalen Welt miteinander in Einklang zu bringen.

7 thoughts on “Digitaler Minimalismus statt Reizüberflutung

  1. Hallo Gabi,
    ich freue mich immer von dir lesen.

    Telefonieren war nie so mein Ding, mir fehlt da die Mimik und Gestik, wenn mir die Worte ausbleiben.

    Facebook habe ich vor 5 Jahren auch schon mal gelöscht, aber….
    Ich habe Familie in Irland, wir reden sonst nicht, ich bin nicht der Typ der so redet.
    Und dann war ich mitten im Studium, mir fiel es leichter über die Facebookgruppe mit den Kommilitonen zu kommunizieren.
    Man darf nicht übertreiben. Man muss Grenzen setzen und Gruppen sowie die Beteiligung dort minimalistisch halten und sich aufs wesentliche konzentrieren.
    Man muss eben für sich entscheiden, wo die Grenze ist. Wenn es bei euch besser gar kein Facebook ist, dann ist es auch okay. 🙂

    Die digitale Welt hilft uns sehr minimalistisch zu leben. Ich kann Dokumente/Bilder einscannen und doppelt auf Laptop sowie externer Festplatte sichern und brauche doch nicht so viel Platz wie für den Kram. Dann kann ich ohne schlechtes Gewissen auch mal den realen Gegenstand entsorgen.

    Ganz wichtig finde ich im Umgang mit digitalen Medien, die Augen zu schonen. Nicht so viel vor Bildschirmen hängen und Kindern so wenig wie möglich Zugriff zu geben. Büroangestellte, die am Bildschirm nicht vorbei kommen, möchte ich an dieser Stelle die Bürobrille mit Blaufilter empfehlen, die die Augen schützt.

    Ich werde weiterhin meinen Kalender digital führen und ich werde nur noch ebooks kaufen, weil ich merke wie mich ein Kalender oder die Bücher im Schrank belasten. Ich muss den Kalender immer mit haben, es ist privat und darf nicht verloren gehen, es ist schwer in der Tasche, das sind die Kriterien. Zum Buch lesen komme ich leider gar nicht mehr und ich möchte nicht das dicke Buch mitschleppen für den Fall, dass ich auf dieser Bahnfahrt ein paar Minuten habe. Aber das ebook im Handy wiegt nichts und ist immer da.

  2. Ich finde auch nicht, dass es sozialer Selbstmord ist, ohne Social Media. Bin auch nirgends mehr. Ich halte gerade lieber ein richtiges Buch in der Hand, einen unlackierten Bleistift und ein Blatt Papier zum Rausschreiben. Nennt man wissenschaftliches Arbeiten. Hab ich mehr von. Gefährdet die Dummheit. Lg Tanja

  3. Ha! Das mit dem Telefonieren war bei uns einfach geregelt: Wir hatten kein Telefon. 😉
    Ich war nie bei Fa_ebook & Co. Was ich nutze und schätze ist das Internet und mein Laptop. Gerade wenn man so auf dem Land lebt wie ich , ist das eine feine Sache. Die Bibliothek ist jetzt auch online. So kann ich mir Bücher von hier aus ausleihen und lesen und muss nicht 35 km weit fahren. Auch das Einkaufen von Dingen, die man nicht täglich braucht (Kleidung usw.), ist einfacher.
    Unterwegs brauche ich in den wenigsten Fällen Internet, daher habe ich nur ein Prepaidguthaben. Ein Handy habe ich jetzt doch schon meist dabei-nur so für den Notfall.
    Im Test läuft bei mir gerade so ein „Fitnessarmband“, damit ich meinen Stresslevel im Auge behalte. Wie gesagt: Im Testbetrieb mit einem geborgten Gerät. Ich weiß noch nicht wie es ausgeht. Stehen Kosten und Nutzen in einem annehmbaren Verhältnis??

    1. Hallo M@ria, auf dem Land ist das Internet ja wirklich eine Erleichterung. Das spart viele Wege und Umständlichkeiten. Ich habe mir angewöhnt, dass mobile Internet nur dann zu aktivieren, wenn ich es gerade brauche. Dies ist unterwegs meistens für den ÖPNV. Manchmal nutze ich das Prepaid-Internet sogar Zuhause. Meistens dann, wenn es sich abends für das kurze Email abrufen nicht lohnt, extra den WLAN-Router zu aktivieren.

  4. Hallo Gabi.
    Beim Telefon kann ich ergänzen, dass so manche Eltern im Türrahmen standen und mit Fingerzeig ermahnten das Gespräch zu beenden. Bei uns war fast alles Ferntarif oder Nahtarif, jedes kleine Kaff hatte seine eigene Vorwahl. Ortstarif war nutzlos. Meine spätere eigene Telefonrechnung war in den schlimmsten Zeiten zwischen 100 und 200 DEM. Wahnsinn.

    Ich habe bei digitalen Medien mehrfach Rückfälle etlitten. Insbesondere bei Facebook. Mein zuletzt angelegtes Konto ist in Löschung, ich hoffe das war es nun. Was helfen könnte dem Verlieren des eigenen Ichs entgegenzutreten ist, die digitalen Erlebnisse durch reale Erlebnisse zu ersetzen. Das ist jetzt im Sommer deutlich leichter, wo man viel Zeit draußen verbringen kann. Radfahren, wandern,… Vor der dunklen Jahreszeit habe ich etwas Angst, der digitale Konsum könnte deutlich ansteigen. Ich will diese FB Kommunikation nicht mehr, aber die Versuchung könnte dann größer werden.

    1. Hallo Thorsten, ich kenne auch die Variante, dass das Telefon im Flur an der Wand hängt und jeder zuhört. Da reduzierte sich das Telefonieren von alleine.
      Du hast dann ja einen guten Zeitpunkt für das Facebookende gewählt. Da bleìbt ja noch Zeit genug, um sich Alternativen für die kühlere Jahreszeit zu überlegen. Ich drücke dir die Daumen.

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