Minimalismus ist mehr, als eine entrümpelte Wohnung

Unsere Zeit der Superlativen…

Minimalismus ist in aller Munde. Trotzdem scheinen wir in einer Zeit der Superlativen zu leben: Reichte zu früheren Zeitpunkten ein normaler Kleiderschrank, darf es heute gleich die begehbare Kleiderkammer sein. Aus dem Badezimmer wird ein Wellnesstempel und im Wohnzimmer gibt es statt des üblichen Fernsehgerätes am besten gleich eine kleine Heimkino-Anlage mit großem TV-Bildschirm, x-fachen Stereoboxen, ggf. dann auch noch Beamer, Leinwand etc..

Spannend wird es auch in der Küche: Hightech-Küchen mit allen erdenklichen technischen Geräten. Kaffee wird nicht gekocht, Kaffee wird zelebriert, Suppe und Nachtisch wird in irgendeinem elektronisch gesteuerten Superzauber-Gerät hergestellt. Backöfen, Kochfelder, Abzugshauben sind ausladend groß, zumindestens sehr schick und meistens auch super teuer.

 

Teure Küchen – billiges Essen?

Bei den vielen selbsterklärten Hobbyköchen, die diese schicken Küchen unbedingt benötigen, frage ich mich, wer eigentlich die ganzen Fertiggerichte kauft, die allerorten im Supermarkt zu finden sind? Maximal viele Geräte und dann nur minimal kochen, sowie mit den billigsten Nahrungsmitteln, ist es das, was heute „in“ und üblich ist?

 

Es geht nicht um Askese – das richtige Maß finden

  • Bringen mir all die schicken Geräte wirklich Arbeitserleichterung und Freude?
  • Wieviel Aufwand musste ich denn betreiben, um dies oder das Gerät erstmal kaufen zu können: Arbeiten gehen, Geld verdienen, Produkte recherchieren, auswählen, kaufen, nach Hause tragen, Gerät kennenlernen, Bedienungsanleitung lesen…
  • Wohin räume ich denn dann all die Geräte?
  • Reicht die Größe der Küche für meinen Küchentechnik-Fuhrpark?
  • Ist es mir diese vollgestellte Fläche wert? Immerhin zahle ich ja auch diese Art der Wohnfläche: Entweder als Miete oder im Falle eines Eigenheims, an Kosten für Anschaffung und Unterhalt.
  • Wieviele dieser ganzen Küchen-Zaubermaschinen liegen eigentlich irgendwo in der hintersten Ecke des Schrankes oder im Keller? Und wie lange schon?
  • Sind die Dinge, die wir besitzen, der ganze zeitliche und finanzielle Aufwand, den wir für diesen Besitz betreiben, wirklich noch förderlich für das eigene Wohlbefinden?
  • Geht es manchmal nicht doch sehr viel einfacher?

 

Wir kaufen oft nur Illusionen und ein Lebensgefühl

Wenn wir einmal ganz genau und ehrlich hinschauen und uns beobachten, fällt auf, dass wir eigentlich nicht die Dinge, sondern die damit verbundenen Illusionen und vorgegaukelte Lebensgefühle kaufen. Erst denken wir: “Juchuh, dieses eine tolle Gerät, das ist es…”. Vorfreude, Zufriedenheit, Neugier breitet sich wohlig in uns aus. Aber ist dieses oder jenes Gerät erstmal einige Tage und Wochen alt, hat sich das Glücksgefühl verflüchtigt und wir wollen schon wieder etwas Neues. Aber dieses Neue ist dann auch nicht lange neu und dann schon wieder was kaufen? Wenn ja, was? Und wohin damit?

 

Minimalismus ist mehr: Was brauchen wir wirklich?

Minimalismus ist mehr als ein leergeräumter Schrank und mehr, als eine entrümpelte Wohnung. Minimalismus ist ein Prozess, sich von falschen Illusionen und kurzfristigen Einkaufs-Glücksgefühlen zu verabschieden. Minimalismus ist auch eine Auseinandersetzung mit uns selbst und ob wir all das überflüssige Zeugs, die Illusionen und kurzfristigen Kauf-Glücksgefühle überhaupt benötigen. Was brauchen wir denn wirklich? Und was fällt dir und mir und uns als erstes spontan dazu ein?

 

 

9 thoughts on “Minimalismus ist mehr, als eine entrümpelte Wohnung

  1. Hallo Gabi!

    Ich lese gerade über das Thema Entrümpeln. Da stand der schlaue Satz, dass Menschen oft Dinge/Geräte haben, weil sie gerne so wären. Sie dann aber nicht nützen, weil sie eben nicht so sind.

    Das fällt wohl in die tolle Küche mit den genialen Geräten, in der dann doch nicht gekocht wird. Aber man wäre halt so gerne eine gute Köchin.

    Um gut zu kochen, braucht es nicht viel. Gerade mal einen Herd und ein paar wenige Gerätschaften wie Töpfe, Kochlöffel, Brett und Messer und zwei Hände.

    lg
    Maria

  2. Wieder gut gewählte Worte! Ich verteufle den Konsum nicht und sehe ein, wenn berufstätige Eltern auf Küchengeräte oder ab und zu auch mal Essen aus der Tüte zurückgreifen (z.B. Kartoffelpürree). Gleichzeitig sollte man sich durch Krempel nicht mehr Stress machen. Je weniger Dinge man hat, desto weniger muss man aufräumen und pflegen. Ich bin sehr froh darüber, dass ich gelernt habe, mit wenig zufrieden zu sein. Klingt für manche Leute albern, wenn man kein Auto oder keine Lampenschirme hat. Gleichzeitig merken die Leute nicht, dass sie trotz immer mehr Konsums nicht glücklicher werden und können es sich nicht erklären..

  3. Hallo Gabi,

    zu deiner Frage:
    sich selbst genügen. Haben die wenigsten gelernt. Wenn die Grundbedürfnisse gedeckt sind. Oder was aus eigener Kraft machen. So freue ich mich über den mittlerweile Avocadobaum. Mein Winterprojekt. Die Leute mit den meisten Klamotten sind meistens fürchterlich gekleidet. Die tragen Sachen auf, die ich wegwerfen würde.

    Zu beobachten.
    Die einst gekauften Häuser und Gartenverpflichtungen werden gerade vielen im Umfeld zu gross. Wir werden älter. Die Kraft lässt nach. Die Leute denken und kaufen zu gross.

    lg Tanja

    1. Hallo Tanja, mich beschäftigt das auch immer wieder, dass das Leben mit zunehmenden Jahren nicht schwieriger, sondern einfacher werden sollte. Wozu riesige Wohnungen oder Häuser, die viel Energie und Geld benötigen, um sie überhaupt instand zu halten? Zeit, die man doch schöner verbringen kann. Ein Avocadobaum klingt doch viel überschaubarer und macht vermutlich noch viel mehr Spaß. LG Gabi

  4. Hallo Gabi,

    da zeigst du einen lustigen Widerspruch auf! Ich versuche schon, meine Wohnfläche entsprechend meinem Nutzungsverhalten einzurichten. Die meiste Zeit verbringe ich zu Hause… schlafend!

    Lieber Gruß,
    Philipp

    1. Hallo Philipp, na das ist doch mal klar gelebter und auf dich ausgerichteter Minimalismus: Das, was wichtig ist, ist da. Rest ist nicht so wichtig. Finde ich super.

  5. Am schlimmsten an den Superlativen finde ich, dass die Leute gar keine Zeit haben, die übergroßen Dinge oder Räume zu nutzen, geschweige denn tatsächlich zu genießen. Im Riesenkleiderschrank stapeln sich billige Wegwerf-Klamotten, die nie getragen werden. In der Wellnessoase macht man sich in 10 min. zur Arbeit fertig, weil man wieder viel zu spät dran ist. Und im Heimkino schaut man sich dann verdummende Sendungen auf Privatsendern an, die vorzugsweise eine Zahl im Namen haben. Die Küche hast du ja schon kommentiert.
    Die Hauptsache ist, man hat den neuesten Schnickschnack, um vor Anderen gut dazustehen oder „mitzuhalten“. Auch, wenn man bis zum Burnout arbeitet oder Schulden macht. Also, ich arbeite lieber weniger, habe eine kleinere Wohnung, in der ich nicht so viele Gerätschaften und Fläche zu putzen habe und genieße die Zeit, die ich dort verbringe. Und die Freunde, die mich nicht nach meinem heimischen Umfeld bewerten.
    Ein Gefühl kaufen zu wollen, kenne ich auch. Wenn ich achtsam bin und genau hinterfrage, was mir dieser Gegenstand bringen soll (von dessen Existenz ich kurz vorher vllt. noch gar nichts wusste), habe ich mittlerweile schon das eine oder andere Ding stehen gelassen. Es ist wichtig, sich dafür Zeit zu nehmen.

    1. Hallo Aeris, ich finde, da sprichst du etwas Wichtiges an: die soziale Komponente, die auch noch zu all dem dazu kommt: Wie stehe ich vor anderen da? Was denken die anderen von mir? Bewundern, belächeln sie mich, usw. usw…
      Ein Gefühl kaufen zu wollen, in der Gefahr sind wir denke ich alle mal. Eigentlich finde ich es auch nicht ganz so dramatisch. Es ist nur wichtig, sich diesen Aspekt immer wieder klar zu machen.

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