Ich freue mich über einen Gastbeitrag von Andrea. Herzlichen Dank Andrea für deine Gedanken zu Weihnachten und dem damit verbundenen Konsum.
Vorab ein paar Infos zu mir:
Mein Name ist Andrea, demnächst werde ich 52 Jahre alt und ich lebe in Erfurt. Der Landeshauptstadt von Thüringen. Von Beruf bin ich Physiotherapeutin und arbeite in Teilzeit in einer kleine Praxis hier in Erfurt. Mehr zu mir ein anderes Mal in „10 Fragen an“.
Alle Jahre wieder?
Unter der (reißerischen) Überschrift „Lieferengpässe zu Weihnachten – das sollten sie beachten“ fand ich folgende Zeilen:
„Personal- und Rohstoffmangel oder fehlende Bauteile wie Chips bremsen branchenübergreifend Produktionsabläufe… In den Häfen stauen sich die Frachtcontainer mit Ware, auf die Händler und Verbraucher sehnsüchtig warten. Was bedeutet das für das Weihnachtsfest und die Geschenke?“ (Quelle: Web.de)
Insbesondere über das sehnsüchtige Warten auf Ware bin ich gestolpert. Sicher, wenn man etwas braucht, egal ob wichtiges Ersatzteil (Hilfsmittel, Auto-Ersatzteile…) oder Zubehör für ein Hobby (Foto zum Beispiel) – es kann schon verdrießlich sein, wenn man zu lange wartet bzw. warten muss. Und manchmal werden Dinge tatsächlich auch dringend benötigt. (Eine ehemalige Patientin benötigt zum Beispiel eine Reparatur ihrer Hebebühne, um ins Haus zu kommen)
Zu DDR-Zeiten war das jedoch die Normalität, das waren wir gewöhnt. Und ja, es hat auch genervt! Weihnachtsgeschenke wurden durchaus schon mal im Januar gekauft – wenn es grad „mal was gab“. So erwarb meine Mutter einen großen Plüschlöwen Anfang eines Jahres, kuschelig, weich. Den hatte ich lange. Ein Autofahrer hupte sie sogar an, weil er das Teil so toll fand.
Andererseits hatte dieser – relative – Mangel auch seine Vorteile: Man konnte sich noch freuen und nicht alle hatten schon alles. Nicht dass wir uns danach zurück sehnen, das wäre eine Verklärung der Vergangenheit (gibts irgendeinen Begriff dafür…), aber wir hatten nicht so viele Bedürfnisse! Und schon gar keine künstlich geschaffenen.
Von Menschen aus den „alten Bundesländern“ habe ich mir erzählen lassen, dass es „früher“ auch dort nicht so war. Vor allem im ländlichen Bereich (Emden und Umgebung) ging es ähnlich beschaulich zu wie „bei uns“ halt noch länger. So berichtete mir eine Patientin aus eben jenem Gebiet, dass die ersten, die damals Urlaub in Spanien machten, nahezu die Dorfsensation waren.
Ich sah ein Fotoalbum einer alten Dame (mittlerweile verstorbene Tante meines Partners) von ihrer Kreuzfahrt, irgendwann in den 1980er Jahren. Das war seinerzeit was Besonderes, eher Ausnahme als Regel. Ich finde, da müssten wir wieder hin. Selbst Niko Peach vertritt den Standpunkt, dass man nicht alles verbieten kann oder muss. Aber viele Dinge müssten wieder etwas Außergewöhnliches werden – seien es nun die berühmten Bananen oder Fernreisen.
Schon Heinrich Böll soll die Kommerzialisierung des Weihnachtsfestes beklagt haben. In diesem Zusammenhang steht auch das Gedicht von Margareta Rother „Weihnachten einst und jetzt,“ das mich immer wieder zu Tränen rührt. Zu finden im allwissenden Netz und vielen sicher bereits bekannt. Es war kein Problem, in unserer Familie schon vor einiger Zeit die Weihnachtsgeschenke abzuschaffen. Mein Vati ist leider nicht mehr bei uns und von Mutti bekommen wir immer einen kleinen Briefumschlag. Sie gibt mit „warmer Hand“. Sie muss das nicht, wir haben sie auch so gern. Freuen tut’s dennoch.
2019 fand ich, dass so ganz ohne Geschenke doch was fehlt. Also gibt es seitdem Kalender. Weil ich einen Faible dafür habe und die anderen (Sohn, Bruder) zwar einen brauchen, sich aber nicht gern drum kümmern.
So sehen wir auch diesem Weihnachtsfest gelassen entgegen. Ich wünsche allen, dass sie das auch so tun können. Und dass die dringenden, wichtigen Lieferungen vielleicht doch noch rechtzeitig da sind. Ob nun Weihnachten ist oder nicht.
Wer zu viele Geschenke in den Händen hält, hat keine Hand mehr frei für eine Umarmung.
Oh, das ist sehr schön gesagt! Passt nicht nur für Weihnachten.
Salü Andrea
Danke für Deine Eindrücke und Erfahrungen mit Weihnachten. Weihnachten mit unseren Kindern war immer wunderschön, weil sie bei den Musikvorführungen mit Klavier, Geige und Flöten die Zeit vergessen haben. Unsere adoptieren Kinder aus Indien waren von Ruhe und Bescheidenheit geprägt, ein Segen für Alle. Nun, geniessen wir Weihnachten mal am 24. oder 25 oder 26 mit der jüngsten Tochter mit Familie und 2 Grosskindern. Da fehlen auch keine Geschenke, doch kleine persönliche und meist nur eins oder zwei. An Weihnachten 2019 war das Nachtessen bei uns, und eine befreundete Malerkollegin 82 jährig hatte keine Weihnachtseinladung aus der Bekanntschaft, so haben wir sie eingeladen und verbrachten den Weihnachtsabend gemeinsam mit Nachtessen, Musik und Gesang mit der Grosskinderfamilie. Und alle strahlten, hatten Freude und ein gemeinsames Glücksgefühl – und das ist doch der wahre Sinn des Liebesfestes.
Wünsche allen auch solche Erlebnisse.
Herzliche Grüsse aus dem Appenzellerland Schweiz Heimz
Hier noch ein eindrückliches Kurzvideo vom Weihnachtsrummel von 1945 bis heute – Augenöffnend
https://www.facebook.com/100060492733263/posts/288553426504413/
Guten Abend,
wenn ich das so lese geht mir das Herz auf! Da seid Ihr ganz nah dran am Sinn von Weihnachten!
Ganz nebenbei: Als mein Sohn noch kleiner war, durfte in der Adventszeit die Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens nie fehlen. Später bekam ich eine der Verfilmungen auf DVD von ihm.
Das ist schön, dass auch ihr eine gute Lösung für Weihnachten gefunden habt.
Lässt sich das Video auch außerhalb von Facebook-Login anschauen? Ich habe kein Facebook.
https://www.br-klassik.de/video/weihnachten-frueher-100.html
Ja hier ist eine kürzere Version – doch die Essenz ist überdeutlich.
Herzliche Grüsse aus dem Appenzellerland
Oh vielen Dank für den Link. Die Konsumvariante 1965 ist natürlich damals auch noch nicht überall angekommen. Schon gar nicht in Familien mit mehreren Kindern (war ja die Babyboomer-Zeit). Barby kannte ich z.B. damals nicht, ich hatte bislang auch angenommen, die wäre erst sehr viel später auf den Markt gekommen. Ich hätte mich mit Barby auch ziemlich gegruselt 😁.
Bei uns in der Familie hat es sich seit einigen Jahren eingebürgert das die zwei Enkel und die Großmutter etwas geschenkt bekommen.Für die Kinder ist es doch einfach zu spannend und die Omi hat jahrelang und noch immer finanzielle Hilfe geleistet.Ansonsten erfreuen wir uns einfach an einer schönen ,gemeinsamen Zeit .Jeder trägt seinen Teil zum Menü bei,so das nicht übermäßig Streß entsteht.
Jeder bringt was mit, finde ich für Feiern eine super Lösung. Habe ich schon früher sehr gerne gemacht, nicht nur zu Weihnachten, funktioniert auch zu anderen Gelegenheiten.
Ich befürchte, dass diese „Lieferengpässe“ manche erst recht zum Kaufen anregen – ähnlich wie bei den Hamsterkäufen am Anfang letzten Jahres. „Man könnte ja nichts abbekommen.“
Ich beobachte mich, wie ich mich jedes Jahr mehr dem Weihnachtszirkus verweigere. Mit der einen Familienhälfte treffen wir uns Ende November, mit der anderen Anfang Dezember zu einem gemütlichen Beisammensein – so Corona will. Zum Glück ist die Schenkerei bei uns abgeschafft.
Ja, die Befürchtung, dass die ständigen Meldungen über Lieferengpässe zum Hamstern und Horten anregen, die habe ich auch. Noch mehr Kram und nur, damit der Kram da ist, unabhängig davon, ob er überhaupt benötigt wird. Es ist wie so oft bei Weihnachtsgeschenken überhaupt: Es wird so schnell maßlos, fast empfinde ich es ab und an wie ein automatisierter Zwang, der wenig hinterfragt wird. Ich bin ebf. froh, dass ich da schon lange ausgestiegen bin.
@Elke: für Kinder ist „keine Geschenke“ keine Option. Erst recht nicht, wenn sie noch kleiner sind. Und in vielen Familien bekommen die Omas & Opas, Onkel & Tanten Fotokalender fürs nä. Jahr mit den Bildern ihrer Lieben. Geht allemal finde ich.
@ Sibylle: das mit den Lieferengpässen hat mich im Nachgang noch auf eine andere Weise nachdenklich gemacht: Nachrichten scheinen nur noch etwas wert zu sein, wenn sie möglichst dramatisch, mindestens beunruhigend sind. Corona eignet sich genauso dafür wie steigende Preise und Inflation. Neu ist das nicht, in meiner Wahrnehmung jedoch verstärkt. Menschen werden nervös gemacht bis sie wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen sind. Fragt sich bloß, zu welchem Zweck?
Genau das ist die spannende Frage: Welchem Zweck dient ein „aufgescheuchter Hühnerhaufen?“ Soll es die Wirtschaft ankurbeln, von was ablenken, oder, oder…
Und für mich genau der Punkt, mich möglichst nicht kirre machen zu lassen. Dann lieber mal Abstand zu dem Klamauk gewinnen und sich das ganze aus der Distanz mal ein wenig anzuschauen.
Etwas mehr Realität finde ich hier. https://www1.wdr.de/nachrichten/lieferprobleme-weihnachten-geschenke-produkte-100.html
Irgendeinen Fernseher bekommt man noch, aber wenn es ein bestimmtes, neues Gerät sein soll, wird es schwierig. – Ich will gar kein TV, kein elektronisches Spielgerät und Smartphone habe ich schon. Also bleibe ich minimalistisch entspannt.
Weihnachten ist zu einem Konsumereignis geworden, dass inzwischen viele anwidert. Man sollte vielleicht einmal bedenken, woher im christlich geprägten Europa der Brauch kommt Weihnachtsgeschenke zu machen. In der Bibel bringen die drei Weisen dem neugeborenen Heiland Geschenke, um ihre Freude und Ehrerbietung über dieses Kind zum Ausdruck zu bringen. Daraus leitete sich der Brauch ab, dass Eltern ihren Kindern zu Weihnachten Geschenken machten: Kleidung, Süßigkeiten und je nach Einkommen auch Spielzeug.
Schenken und Beschenkt werden macht Freude, wenn es Ausdruck von Zuneigung und Nähe zum anderen ist. In diesem Sinne sollte man Geschenke auswählen: Was macht dem anderen Freude und somit auch mir. Bei Kindern und Jugendlichen werden das hauptsächlich materielle Geschenke sein, bei Erwachsenen können das sehr wohl „Zeitgeschenke“ im Sinne gemeinsamer Unternehmungen sein. Wenn man Geschenke im ursprünglichen Sinne machen möchte, sollte man Geschenke aus Konvention vermeiden. In diesem Fall ist ein energisches „keine Geschenke zu Weihnachten“ am ehrlichsten.
Mal den Teufel nicht an die Wand.
Rohstoffmangel bzw. festsitzende Container, finde ich nicht so toll.
Ob etwas noch etwas besonderes ist, das hat man ja mit der Erziehung seiner Kinder selbst in der Hand. Ich bin ein Kind der 90er Anfang 2000er und wir haben nicht alles gehabt und bekommen.
Im Nachhinein denke ich schade, was hättest du alles haben und mit deiner Fantasie basteln können, aber wir hatten ein Einfamilienhaus abzuzahlen und waren nicht so reich. 😂 Aber in dem Haus im Dorf war ich sehr glücklich.
Meine Schwester und ich verwöhnen die Halbgeschwister (5 & 7 Jahre alt) zu Weihnachten.
Wir haben aber jetzt gesagt, es gibt nichts neues, wenn sie nicht aussortieren.
Ich überlege gerade so, ob „Teufel an die Wand malen“ wohl auch den Konsum und das Bruttosozialprodukt ankurbelt …
Als eine Art Weihnachtsritual, im Zuge des Schenkens auch etwas abzugeben, finde ich eine schöne Sache – wäre das Primzip 1 rein, 1 raus. Da wird es dann gar nicht so viel.
Guten Abend,
500,- für Geschenke? Wahnsinn. Und dann klagen, dass man kein Geld hat?!
Geier Sturzflug sangen das Lied vom Bruttosozialprodukt und der Müllabfuhr nach Weihnachten. Und Familie Hoppenstedt fand im Treppenhaus keinen Platz mehr für die Geschenkpackungen. ..
Das Entrümpelungskommando als Geschenk – eine klasse Idee. Mein Muttchen ist auch immer sehr dankbar für Hilfe bei dem ganzen Papierkrieg.
Vielleicht dieses Jahr einfach mal ein Entrümpelungsgutschein schenken oder Aufräumhilfe – wäre doch was. Also nichts schenken, sondern überflüssigen Kram aus der Bude rausholen. Weihnachtsmann und Christkind bringen nix, sondern holen was ab. 😆
Für die ein oder anderen Kindern und Familien würde ich ja mal ein finanziertes ÖPNV-Ticket für 1 Jahr wünschen.
Einigen Eltern auch als Geschenk Ausfüllhilfe bei dem ganzen Amtsschimmel-Gedöns: Kindergeld, Kindergeldzuschlag, Wohngeld, ALG2, Bildung und Teilhabe, ….
Der Begriff heißt „Nostalgie“. Vordergründig positiv ist er durchaus negativ. Nostalgisch ist naiv, denn es blendet die Entbehrungen und körperlichen Aufwände aus.
Wenn man heutzutage (bei angenommenen reichlichem Angebot und ohne irgendwelche Lieferschwierigkeiten) vor Weihnachten shoppt, entbehrt man ja irgendwie auch: Zeit, Ruhe, Nerven… . Körperlichen Aufwand hat man ebf.: Gedrängel, Geschubse, volle U-Bahnen, stundenlanges durch die Geschäfte rennen oder vom langen Sitzen wegen der Internetrecherche zwickt der Rücken.
Nach Weihnachten entbehrt man dann Platz: Alles steht voll Zeugs, alter Kram muss entrümpelt werden (Entbehrung Zeit).
Womöglich wird man beim Shoppen im Gedränge noch beklaut oder agressiv angebettelt. Besser zu Hause bleiben und die Geschenke übers Jahr kaufen und verteilen. Bin ich froh, dass der Weihnachtshorror vorbei ist. Schlimmste Zeit im Jahr neben Silvester, wo man unsere Katzen mit Böllerei foltert. Hoffentlich fällt es wieder aus.
Ehrlich gesagt: Nicht nur die Katzen, auch ich fand die Ruhe beim letzten Jahreswechsel wunderbar.
300 Euro Durchschnitt pro Geschenk. Okay Spielzeug oder schafft sich etwas gemein an. Aber trotzdem.
Meine Oma kam 1907 auf einem Bauernhof zur Welt. Sie freute sich im Frühjahr die ersten Blüten. Die ersten Erdbeeren. So eine herzliche Freunde und wie das Staunen eines kleines Kindes, das das zum ersten Mal sieht und erlebt.
Das finde ich wunderschön und beeindruckend. Diese Offenheit jnd Freude. Weihnachten, auch wenn man sich etwas wünscht und das nun in den Händen hält. Unbeschreiblich. Nicht der Preis zählt, sondern das was und wie.
Fußpflege Friseur, Kosmetik, Zeitungsmensch usw. an Weihnachten sage ich einfach mal Danke. Sie bekommen ein kleines Geschenk von mir. Da ist mir einfach wichtig.
So in der Form ist das für mich Schenken. Ein Zeichen von Wertschätzung. Das ist nicht das Preisschild. Ich schenk mir auch etwas. Die Armbanduhr, die ich mir wünsche und zu teuer ist von anderen zu wünschen.
Das ist ein anderer Aspekt: auf etwas „hinarbeiten“, auf etwas freuen können. Nicht sofort die Erfüllung haben. (Okay, bei Kinder ist etwas anderes, sie müssen das noch lernen.)
Weihnachten oft eine Kleinigkeit. Geburtstage finde ich wichtiger! Ich habe einen Monat nach Weihnachten Geburtstag. Da ist es recht „geballt“. Auch da schenke ich mir was. Eine Veranstaltung.
Ich fand das im Internet:
„Die geplanten Ausgaben für die alljährlichen Weihnachtsgeschenken stiegen im Jahr 2020 auf eine Summe von rund 500 Euro pro Kopf. Die Entwicklung der Ausgabebereitschaft für Geschenke kann dabei als ein gesamtwirtschaftlicher Indikator gesehen werden, ob es für Privatpersonen aus ökonomischer Perspektive ein eher positives oder negatives Jahr war.“ (Quelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/208623/umfrage/durchschnittliche-ausgaben-fuer-weihnachtsgeschenke-in-deutschland/) – Das meiste steht leider hinter der Bezahlschranke, aber eben nicht alles.