Minimalistische Spurensuche – Rückblick: 70ger Jahre

Überflüssigen Ballast loswerden, nicht so viel Zeug haben: Rückblickend erkenne ich diesen minimalistischen Drang immer schon – und ich habe positive Erfahrungen damit:

In den 70ger Jahren sind wir als Teenies mit einer Gruppe des Jugendherbergsverbandes gewandert. Es ging von Jugendherberge zu Jugendherberge. Alles wichtige war im Rucksack verstaut. Da war kein überflüssiges Teil, schliesslich musste alles geschleppt werden. Man kann es sich kaum vorstellen, aber jedes T-Shirt hatte ich vorher genau ausgewogen, das Stück Seife halbiert: Nur nicht mehr tragen als nötig. Einziger Luxus: Kleine Wandergitarre (abwechselnd getragen) und Mundorgel-Liederbuch. Die Jugendherbergen waren bei weitem nicht so ausgestattet wie heute. Gruppenschlafsääle, z.T. noch „Pferdedecken“ statt Bettdecken (Pferdedecken: eine Art grobe, dicke Wolldecke), wenn Dusche dann Gruppendusche, Waschsääle statt Badezimmer etc.. Trekkingbekleidung in der Lightvariante heutiger Tage gab es nicht, GPS-Geräte auch nicht, Handys schon gar nicht, maximal mal einen kleinen Fotoapparat. Gewöhnliche Wanderkarten taten ihre Dienste zuverlässig, sofern man mit ihnen umzugehen wusste. Ins Schwimmbad ging es eigentlich vorrangig zum Duschen (so hin und wieder mal….), das eine oder vielleicht zwei Paar Wandersocken musste eigentlich die ganze Woche reichen. Mitten in Deutschland waren wir fern ab von jeder Zivilisation. Wir sind durch unzählige kleine, abgelegene Dörfer gewandert. Manchmal bekamen wir frische Milch vom Bauern. Wir waren fern von den Eltern (fand ich total cool), aber in einem sozialen Miteinander: Gemeinsam das abendliche Ziel erreichen, schwitzen, erzählen, singen, lachen, Natur geniessen. Es war schön, ich habe mich völlig frei und befreit gefühlt. 

Rückblickend waren diese Erlebnisse eine prägende Erfahrung und mein Einstieg in den Minimalismus. Es braucht nicht viele Dinge, keine Urlaubsflüge nach sonstwo hin. Bewusst war mir dies zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht. Irgendwann kamen Zeiten, in denen ich dachte, ich müsste mich jetzt auch mal „normal“ mit Kram ausstatten – „normal“ war dann eben mehr irgendein Zeugs, was eben so „alle“ haben. Funktioniert hat das mit dem vielen Zeugs nie so richtig und heute ist die minimalistische Lebenshaltung so etwas wie ein Wohlfühlort, den ich sehr genieße.

3 thoughts on “Minimalistische Spurensuche – Rückblick: 70ger Jahre

  1. Halli Hallo, auch ich bin ein Jugendherberge-Fan, war Zeit meines Lebens immer wieder in Jugendherbergen der Schweiz, auch zusammen mit meinen Eltern (Familienzimmer). Auch jetzt mit fast 50 bin ich Mitglied, es gibt keine Altersbeschränkung, zumindest nicht in der Schweiz. 🙂

  2. Da haben wir doch eigentlich alle schon Erfahrungen mit minimalistischen Tendenzen gehabt. Es war uns nur nicht bewusst und wir haben es nicht so genannt. Deine Wandererfahrung mit einem Rucksack ist vergleichbar mit den Campingerfahrungen aus meiner Jugend. Wir hatten ganz wenig Sachen mit und waren doch sehr glücklich. Man sollte doch auf diese Erfahrungen zurückgreifen.

    1. Ja genau. Ich weiß zwar noch, dass ich selbst die T-Shirts abgewogen habe (welches ist das leichteste), auch die Seife halbiert (bloß nicht so viel schleppen), aber ich wäre nicht auf die Idee gekommen, dass als Minimalismus zu bezeichnen, obwohl es das letztlich war.

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