Rückblende – richtige Entscheidungen?
Vor einigen Tagen bemerkte ich, dass ich immer wieder auf meine langjährige Arbeitszeit zurück blickte. Habe ich mich richtig entschieden? Immerhin gibts durchaus Berufe, wo ich weniger Stress und mehr Geld hätte. Wäre es nicht besser gewesen, vielleicht doch irgend etwas anderes beruflich zu machen, als ausgerechnet Sozialpädagogin?
Nein! Allen Widrigkeiten und Schwierigkeiten zum Trotz. Ich kann nur hoffen, es scheitert nicht irgendwann daran, dass der gesamte Sozialbereich restlos kaputt gespart ist. Ich habe zwar einen mitunter schwierigen, aber auch sehr lebendigen Beruf. Es geht nicht ohne eigenverantwortliches und selbständiges Handeln. Das mag ich sehr. Ich habe mit konkreten, lebendigen Menschen zu tun. Nie käme ich damit klar, irgendwelche Dinge, Versicherungen und was auch immer zu verkaufen. Das würde gnadenlos scheitern, weil es mich einfach überhaupt nicht interessiert. Ich brauche mich auch nicht durch die Strukturen eines Lehr- und Stundenplans einer Schule quälen. Das wäre mir viel zu eng und ich wäre garantiert den ganzen Tag damit beschäftigt, all diese starren Regeln auf den Kopf zu stellen. Genau das wäre aber Sisyphusarbeit. Weder hätte das Schulsystem, noch ich etwas davon.
Zuviel Zeit investiert
Was mich an meinen zurückliegenden Arbeitswelten gestört hat: Ich habe viel zu viel Zeit investiert. Arbeiten bedeutete, eine Zeit lang auch an Wochenenden tätig zu sein, Bereitschaftsdienste und die „Normalität“, 12 Tage ohne Pause durchzuarbeiten. Es gab Wechelsdienste, Arbeitsverdichtungen sowieso. Dazu die lange Fahrzeiten, in denen ich entweder mit dem Auto im Stau stand, in vollen Zügen saß oder an kalten Bahnsteigen auf verspätete Züge wartete. Irgendwann bemerkte ich dann, dass sich der Wunsch breit gemacht hatte, mir durch Konsum, daß Leben ein wenig aufzuhübschen. Aber es entlastete mich nicht und meine Unzufriedenheit und der Wunsch, etwas zu verändern, nahm zu.
Mehr Zeit
Das, was mir inzwischen wirklich wichtig geworden ist: Zeit. Einfach das Leben und die Lebendigkeit in mir spüren. Den Kaffee beispielsweise nicht hektisch zu schlürfen, sondern ihn zu genießen. Beobachten, wie der Tag langsam heller wird. Stille einatmen. Dem Rhythmus des eigenen Lebens folgen. So viel Zeit und Energie haben, dass ich meine Arbeitswelt noch immer gestalten kann und nicht nur ein Punkt nach dem anderen Punkt abhaken muss.
Weniger Ballast
Dinge, die unnötig sind, engen ein. Sie kosten nicht nur Geld, sondern auch die Zeit, die ich investiere, das Geld zu verdienen und auszugeben. So etwas empfinde ich wie einen riesigen Rucksack, der wie Blei auf meinen Schultern lastet. Jahrelang habe ich Wohnstandards viel zu wenig hinterfragt. „Man“ hat eben ein Bettgestell, ein Sofa, ein Kleiderschrank, usw.. Aber geht es mir überhaupt gut damit? Minimalismus war eine Befreiung für mich. Ich habe mich mit den meisten Möbeldingen nie richtig wohlgefühlt und so kamen und gingen diese Dinge immer wieder. Ich widmete ihnen viel zu viel Aufmerksamkeit. Wie verrückt ist das, viel Geld für einen Schrank auszugeben, damit ich darin u.a. das Zeug horten kann, welches ich eh nicht nutze und brauche?
Mehr Freiheit
Die meisten Menschen können nach wie vor kaum nachvollziehen, warum die relativ wenigen Dinge, die sich in meiner Wohnung befinden, für mich nicht wenig Dinge sind. Es ist mir eher immer noch zu viel. Ich folge damit nicht irgendwelchen modischen Entwicklungen. Wozu auch? Die ändern sich ja ohnehin immer wieder. Mit 56 Jahren gehöre ich definitiv nicht zur Generation Y, die so oft mit Minimalismus als Lebensstil in Verbindung gebracht wird. Erst recht muss ich nicht irgendwelchen Teenie-Träumen folgen. Ich gehöre auch nicht zu denen, die in Kindertagen mit Konsum überspült worden sind und nun die Nase davon voll haben. Ich muss mich aber auch nicht an die Gewohnheiten und Standards „meiner Generation“ anpassen. Ich wollte mich nie für ein Eigenheim quälen. Selbst von meinen derzeitig bewohnten 35qm, sind 10qm überflüssig. Ich muss nicht einmal die Welt retten. Ich bin außerdem so froh, dass ich mich nicht mehr um die Blechkiste auf 4 Rädern kümmern muss. All das ist für mich wirkliche Freiheit, wirklicher Luxus und purer Lebensgenuß.
Blick auf die ca. 10 qm meiner Wohnung, die ich kaum nutze.