9 Euro-Ticket – Erfahrungen

Ich gehöre zu den Menschen, die immer schon lieber mit dem ÖPNV gefahren sind, als ein Auto zu besitzen. Bahnfahren ist für mich üblicherweise entspannter. Hier im Ruhrgebiet sind die Straßen auch immer so voll, oft überfüllt. Da macht Auto fahren nicht sonderlich viel Spaß. Das 9-Euro-Ticket war da natürlich eine schöne Sache – auch für mich.

9-Euro-Ticket

 

Inzwischen ist die Zeit mit dem 9-Euro-Ticket zu Ende. 3 Monate lang für je 9 Euro im Monat deutschlandweit mit ÖPNV unterwegs sein. Mal ganz persönlich und ohne Überlegungen zu politischen, wirtschaftlichen Aspekten, meine Erfahrungen: Mir hat das gefallen.

Die Kosten

Ich wohne in Citylage. Im Umkreis von ca. 2 Kilometer mache ich meine Wege in der Regel zu Fuß. Wenn ich mit dem ÖPVN fahre, habe ich in den letzten Jahren nur noch Einzel- bzw. Mehrfahrtentickets genutzt. Ein Monatsticket lohnt sich nicht, zu teuer für meinen Bedarf. Im ersten Halbjahr 2022 hatte ich durchschnittliche Fahrtkosten im ÖPNV von ca. 10 Euro. Nun das 9-Euro-Ticket. Das passte und ich war dann auch deutlich häufiger unterwegs, was wirklich schön und angenehm war.

Eher in der Region, als weit entfernt

Ich bin nicht einmal zu irgendwelchen Ausflügen an weiter entfernte Orte gefahren. Es kam einfach mit der Zeit nicht so gut hin, da die 9-Euro-Ticket-Zeit mit meinen Urlaubszeiten nicht so gut zusammen passte. Am Wochenende waren mir lange Ausflugstouren auch zu belastend. Einmal mit dem ÖPNV an die Nordsee hätte laut Fahrplan rund 5 Stunden gedauert – im Idealfall! Fahrpläne der Bahn sind ja erstmal so etwas wie ein Rechenexempel, wie es im Idealfall theoretisch funktionieren könnte. Dieser Idealfall tritt aber leider praktisch selten ein. Also: Immer mehr Zeit einplanen. D.h., da hätte ich auch bei der Fahrt zur Nordsee noch deutlich mehr Zeit gebraucht. Hier im Ruhrgebiet ist es üblicherweise auch so schon sehr voll. Dann noch das 9 Euro-Ticket und stundenlang in absehbar überfüllten Zügen … Nein danke!

Spontan unterwegs sein

Diese 9-Euro-Ticket-Zeit habe ich trotzdem sehr genossen. Ich war überwiegend hier in der Region unterwegs. Gerade an den sehr heißen Tagen war es wirklich sehr angenehm, den Arbeitsweg mal ganz oder teilweise mit der Bahn zu fahren. Das dauerte zwar deutlich länger, als zu Fuß zu gehen, war aber bei weit über 30 Grad schon deutlich erholsamer. Allein die Wartezeit im vergleichsweise kühlen U-Bahn-Schacht: Wunderbar!

Mir hat auch gut gefallen, dass ich recht spontan mal hier oder dort hin fahren konnte, ohne dass ich vorher gerechnet und überlegt habe, mit welcher Ticketkombination und ob überhaupt oder doch besser zu Fuß oder erst gar nicht losgehen bzw. -fahren.

Der unzureichende ÖPNV-Ausbau

Leider ist der ÖPNV auch hier bei weitem noch nicht so gut ausgebaut, wie man es eigentlich in einer 5-Millionen-Metropole wie dem Ruhrgebiet erwarten würde. Innerhalb Dortmunds gehts inzwischen relativ gut mit dem ÖPNV, sogar innerhalb der Vororte. Aber von einer Stadt zur nächsten Stadt – ach herrje. Will ich beispielsweise von der Dortmunder Innenstadt ins benachbarte Bochum-Langendreer, so ist dies gefühlt immer noch eine halbe Weltreise. Teuer ist es mit normalen Tickets auch. Mit Carsharing ist es nicht nur sehr viel schneller, sondern auch deutlich preisgünstiger. Man erspart sich so auch einige ekelige, verrusste und verschmierte S-Bahn-Stationen.

Bleibt zu hoffen, dass nun doch mal was passiert im ÖPNV und es gleichermaßen bezahlbar, wie realistisch nutzbar wird. Das hier im Ruhrgebiet innerhalb eines(!) Verkehrsverbundes doch jede Stadt irgendwie vor sich hin puzzelt und die Vernetzung der Städte untereinander teilweise unterirdisch ist, verstehe ich in einer 5-Millionen-Einwohner-Metropole überhaupt nicht.

Und ein Nachfolgemodell?

Es soll ja irgendeine Art von Nachfolgemodell geben. Ob sich das für mich lohnt ist fraglich. Im Gespräch sind aktuell Preise, die irgendwo zwischen 29€ und 69€ liegen, ob regional oder deutschlandweit. Bei 29€ und einem Regionaltarif könnte es sein, dass ich nochmal darüber nachdenke, aber selbst das wird sich nicht jeden Monat rechnen. Das Leben ist ja aktuell ohnehin schon teuer genug. Da werde ich garantiert kein Geld für ein Monatsticket ausgeben, welches ich absehbar überhaupt nicht ausnutzen kann. Ich werde auch künftig nicht mal so eben am Wochenende endlose Stunden mit dem Zug in entfernte Ausflugsregionen reisen. Die sind einfach zu weit weg und zu schlecht erreichbar für mich. Sowas mag mal als Ausnahme ganz nett oder aufregend sein, aber mich interessiert vorrangig der ganz normale Alltag. Hoffen wir, dass es auch dafür eine Lösung geben wird.

1.9.2022, 10:40 Uhr – ein Update:

Ich komme gerade aus der City. Ich brauchte einige Lebensmittel aus der Drogerie mit den zwei Buchstaben. Entfernung: Hin und zurück 2,2 Kilometer und 50 Minuten plus ca. 10 Minuten Zeit fürs Einkaufen, also ca. 1 Stunde Gesamtzeit. Tja, was habe ich als erstes gekauft: ein 10er- Kurzstrecken-Ticket. Mal eben mit der Bahn 3 Haltestellen zu fahren. Ruckzuck hin und zurück in insgesamt 40 Minuten mit verspäteter U-Bahn. Der ca. 20-Minuten-Zeitunterschied war nicht so relevant, aber:  Nur als Fußweg hätte ich heute früh den Einkauf nicht gemacht und irgendwann wäre wieder so ein großer Turboeinkauf nötig gewesen mit der nervigen Schlepperei nach Hause.

Eins hat das 9-Euro-Ticket also schon mal bei mir erreicht: Es fehlt mir. Es geht in einigen Situationen so wunderbar schnell, mal eben so ein Monatsticket nutzen zu können. Mein Wunsch wird stärker, dass sich die Politik nun mal eine bezahlbare Lösung überlegt. Ich verzichte dafür auch sehr gerne auf das steuerliche Dienstwagenprivileg – sowas habe ich eh nicht, hatte ich auch nie 😉

 


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17 thoughts on “9 Euro-Ticket – Erfahrungen

  1. Ich bin normalerweise Bahnfahrerin, da ich kein Auto habe. Doch in diesen drei Monaten war es mir zu voll in den Zügen, daher bin ich auf Carsharing umgestiegen!

    1. Schade, aber absolut nachvollziehbar. Die überfüllten Züge waren ja auch für mich ein Grund, nicht häufiger zu fahren.

      Das Problem wird sich mit dem Nachfolger erledigen. Wenn es auf ein Abo für 69€ hinaus läuft, ist das vermutlich zu teuer für viele Nutzer. Mir würde ein Regioticket auch reichen.

  2. Ich habe seit 2 Jahren das günstigste Aboticket, was mich monatlich etwas über 50 € kostet.
    Daher war ich überglücklich, damit nun ca. 120 € zu sparen. Eigentlich wollte ich auch mehrere Ausflüge in der Umgebung machen, aber den Stress auf den Bahnhöfen und in den Zügen hab ich nicht ertragen können. Daher blieb es bei Hattingen und Haltern am See.
    In der Zeit war ich auch ein paar Tage in Bayern mit dem regulären Ticket, aber auch hier Zug-
    verspätungen und übervolle Bahnhöfe. Das einzig gute war, dass ich vor Ort sozusagen kostenneutral den Nahverkehr nutzen konnte.
    Ich bin für das 365 € Jahresticket. Das finde ich angemessen für die Strapazen, die man sicher noch Jahre hinnehmen muss bis die Bahn und der ÖPNV sich erneuert haben.

    1. Hattingen und Haltern am See – das klingt aber sehr nach Ruhrgebiets-Bewohnerin (oder nähere Umgebung). Da gibts ja auch dieses VRR-Aboticket in der beschriebenen Preisklasse, was eben doch teuer ist, wenn man es nicht täglich braucht. Mit der 365€-Variante könnte ich glaube ich auch leben.

      1. Liebe Gabi,
        Ich bin in Oberhausen beheimatet, da wo das CentrO zuhause ist und im Gasometer die einmalige Ausstellung „ das zerbrechliche Paradies“ gezeigt wird.
        Vielleicht haben ja einige 9 € Gäste sich das angesehen 😉.

        1. Der Gasometer ist da wirklich ein beeindruckendes Teil. Wenn man da auf im Glasaufzug hochfährt auf die Aussichtsplattform: Wow!
          Das CentrO ist der Konsumtempel schlechthin. 1 x angeschaut, hat gereicht… Aber im Sommer draußen in einer der Eisdielen sitzen und leckeren Cappuccino trinken ist dann doch sehr nett.

  3. Ich habe mit dem Ticket auch viel Geld für all meine notwendigen Fahrten gespart. Rein zum Vergnügen habe ich es 3x genutzt um mit Städte anzusehen. Mit dem normalen Fahrpreis habe ich es mir nicht geleistet. Jetzt war die Gelegenheit.
    Dass bei uns beim Nahverkehr noch Luft nach oben hat, habe ich an anderer Stelle schon geschrieben. Ganz ohne Auto wird es hier schon schwierig, aber das ist ein anderes Thema.
    Über eine Nachfolgelösung würde ich mich sehr freuen. Sie sollte aber angemessen gestaltet sein, so dass z.B. das Zugpersonal nicht wie jetzt bis über die Belastbarkeitsgrenze gefordert wird. Mit Augenmaß und eine gut durchdachte Lösung, das wäre schön.

    1. Wenn die Autobahnen überfüllt sind wird abgeholzt und Spuren erweitert. Wenn die Züge voll sind , dann wird der Preis so gestaltet , dass nicht jeder mitfahren kann.
      Finde den Fehler !

      1. und warum dann für die Autobahnen auch irgendwie Geld verfügbar ist und für den Ausbau der Bahn nicht, ist auch nicht nachvollziehbar.

  4. Nicht jeder war glücklich über das Angebot der Bahn.
    Vor dem 9 Euro-Ticket war ich begeisterte Bahnfahrerin. Mit meiner BahnCard 50 bin ich auch mit Hund zu Lesungen und in den Urlaub die meisten langen Strecken mit dem ICE gefahren. Ganz entspannt, einen Kaffee getrunken und die Landschaft genossen.
    Dann kam das 9 Euro-Ticket. Als Extrem-Introvertierte habe ich schon beim Anblick von überfüllten Bahnsteigen und Zügen mit unmaskierten Menschen Panik und Schnappatmung bekommen. No Way. Hinzu kommen kaputte Gleise, Verspätungen, Zugausfälle und verstopfte Toiletten (ganz schlimm). Okay, das alles gab es vorher auch, aber nicht so schlimm wie in den letzten drei Monaten.
    Jetzt habe ich meine BahnCard zurückgegeben und fahre wieder mehr oder weniger entspannt mit meinem kleinen Auto. Übrigens lobe ich mir die Schweizer Bahn: nettes Personal, sauber und außerordentlich günstig.

    1. Oh, das ist gruselig, was du beschreibst und so schade. Aber ich kann schon nachvollziehen, dass dir das zuviel Palaver war und du dann doch das Auto nimmst. Die Bedingungen fürs Bahn fahren müssen sich einfach noch verbessern. Eine Kollegin (Berufspendlerin) stöhnte auch, insbesondere auch darüber, dass sie aufgrund der vollen Züge oft nicht mit fahren konnte, die Verspätungen noch mehr wurden, Züge ausfielen etc.. Das war auch total ungünstig für sie.

  5. Ich fand das Ticket auch super und es hat uns ordentlich Geld gespart. Mit den Zehnerkarten die wir sonst nutzen, weil Monatsticket sich nicht rechnet, wäre es wesentlich teurer gewesen. Lange Fahrten hab ich auch nicht gemacht, nur eine nach Bremen zum Konzert, da sind Maxi Aurelia und ich mit dem Zug hin, weil Parkplatz für ihr Auto bestimmt nicht zu finden gewesen wäre :-D, jedenfalls nicht wenn auf der Bürgerweide ein Konzert einer Weltband stattfindet.
    Ich wäre für ein 9€ Ticket pro Bundesland, meintwegen auch 10-15€ aber nicht mehr, das wäre immer noch wesentlich günstiger als der Tarifdschungel jetzt in den Bundesländern und Städten. Da könnte man dann auch vom Norden bis in den Süden fahren ohne Tarifstudium, einfach für jedes Bundesland welches man durchquert, das günstige Ticket und gut ist. Wäre deutlich günstiger als die jetzigen Tarife, die ja auch noch steigen sollen, wegen der explodierenden Energiekosten.
    Aber ich denk, die Entscheider werden da, wenn überhaupt, nur Murks oder viel zu teuer für den kleinen Geldbeutel, zustande bringen. Die sind einfach zu weit vom kleinen Bürger weg.

    1. Die komplizierten Tarife werden ja immer wieder kritisiert. Der Verkehrsverbund hier hat inzwischen auch ein nahezu unüberschaubares Wirrwarr an Tarifen für ein und dieselbe Region: Einzel- und Mehrfahrtentickets, Monatstickets (mit oder ohne Abo), Flextickets, Eezy-Tickets – der blanke Wahnsinn. Hoffentlich wird das mal besser.

      1. Das war für mich persönlich das Schönste am 9-Euro-Ticket: Einfach einsteigen und gut ist.
        Ich liebe Zugfahren, aber nicht, wenn ich erst Einzelnetzewabenzonenbereichetarifoptionen-Wissenschaften studieren muss. Ich bin mal mit dem Länderticket unterwegs gewesen – leider 2 min vor 9 Uhr (da verlässt man sich ein einziges Mal auf die Verspätung und dann ist der Zug pünktlich) und habe saftige 60 Euro Strafe gezahlt. Ist auch okay, schließlich war ich diejenige, die sich nicht an die Bedingungen gehalten hat. Nur: Bis die Bahntante mal angefangen hat, die Schwarzfahr-Anzeige zu schreiben, hat sie erst noch den Wagon fertigkontrolliert, da war es dann 10 nach 9 Uhr bis sie wieder bei mir war…
        Diese ganzen Spitzfindigkeiten der einzelnen Verkehrsbetriebe machen einem den ÖPNV schnell madig.

        1. Einzelnetzewabenzonenbereichetarifoptionen – was für ein passendes Wort für den Tarif- und Ticketdschungel. Wir haben hier jetzt den sog. eezy-Tarif. Einloggen beim einsteigen, ausloggen am Ende der Fahrt. Dann wird nach Fluglinienkilometern abgerechnet. Habe ich mal durchgerechnet: Ist auf fast allen Fahrten teurer für mich. Es gibt Seiten, wo man diese Flugkilometer im Internet errechnen kann.
          Läuft der Nachfolger des 9-Euro-Tickets wirklich auf ein bundesweites Onlineticket hinaus für 69 Euro lohnt das für meinen Bedarf aber auch nicht. Zum Glück kann ich die wichtigsten Wege zu Fuß machen. Das ist eh immer noch am günstigsten.

  6. Das hast du treffend beschrieben „ein Rechenexempel, wie es im Idealfall theoretisch funktionieren könnte“ 😂.
    Genau diese Erfahrung mache ich auch immer wieder. Eine längere Strecke hatte ich gewagt um eine gute Freundin zu sehen. Beinahe wäre ich irgendwo im Nirgendwo gestrandet aber insgesamt hatten wir auf 4 Stunden Fahrt „nur“ etwa 2 Stunden Verspätung. Sie hat es sogar einige Wochen nur mit einer Stunde geschafft.
    Auch sehr schön war die Ansage im Zug „Ihre Verbindung nach XY fährt von Gleis X mit 1320 Minuten Verspätung“. Hat für einige Lacher im Zug gesorgt. Aber mit Humor lebt es sich ja bekanntlich leichter.

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