Minimalismus – was soll das denn?
Schon seit längerer Zeit macht immer wieder der Begriff „Minimalismus“ die Runde durch die Medien. Gemeint ist hier nicht der Designstil Minimalimus, sondern die bewusste und freiwillige Entscheidung, ein Leben mit weniger Dingen zu führen. Und nein, es geht nicht um Verarmung, nicht um Askese, sondern um wirkliche Lebensqualität. Da ich schon einige Male gefragt wurde, ob ich denn tatsächlich und ernsthaft der Meinung sei, dass solch ein Lebensstil nicht nur für Jüngere, sondern auch für die Generation 50+ Sinn macht, hier einmal meine Sicht der Dinge:
Zum Begriff Minimalismus
Wen das Wort Minimalismus stört, nenne es einfach anders, z.B.: Einfacher Leben oder konsumreduziert, konsumbewusst, oder weiß ich was. Das Wort ist egal und natürlich dürfen es auch deutlich mehr als 100 Teile sein. Zahlen sind in diesem Fall Schall und Rauch. Es geht darum, die Krempelberge abzubauen, um mehr Zeit und Raum für das Wesentliche im eigenen Leben zu finden.
Mein Minimalismus-Weg
Als mir der Minimalimus erstmals „über den Weg lief“ war es 2010, ich war 49 Jahre alt und hatte bereits endlose Jahre sozialer Arbeit in den Knochen. Ich entdeckte den Minimalismus, als ich zur Reduktion von Stress zu meditieren begann. Nur da sitzen und sich auf das Ein- und Ausatmen zu konzentrieren ist so ziemlich das minimalistischste, was ich mir vorstellen kann. Das fand ich als Ausgleich zu Überlastung und Multitasking so wunderbar, dass ich diese Freiheit auch in anderen Bereichen meines Alltag spüren wollte.
Inzwischen bin ich 60 Jahre und ich kann sagen: Ja, das funktioniert wirklich mit dem Minimalismus. Es ist sehr befreiend, alten und unnötigen Ballast loszulassen. Ich fühle mich deutlich besser und befreiter und bin viel zufriedener.
Minimalismus ist mehr als das Reduzieren von Dingen
Minimalismus ist weit mehr, als nur Dinge zu reduzieren. Kleider- und Küchenschränke, Dachboden und Keller zu durchstöbern, um endlich ein paar Sachen loszuwerden. Das ist letztlich auch nichts anderes als Ausmisten. Minimalismus geht einen Schritt weiter. Es ist die bewusste Auseinandersetzung mit dem, was im eigenen Leben wirklich wichtig ist und die Frage nach dem Warum, z.B.:
- Brauche ich wirklich 50 T-Shirts und 30 Hosen? Für wen? Für was?
- Welche Küchengeräte werden eh nur von rechts nach links geräumt?
- Macht es ernsthaft Spaß, die endlosen Meter im Bücherregal abzustauben, obwohl dort schon ewig kein Buch mehr heraus genommen wurde?
- Können die erwachsenen und längst ausgezogenen Kinder nicht endlich mal ihre restlichen Dinge abholen? Notfalls mit Fristsetzung?
- Wann wurde das von Tante Ilse geerbte 60-teilige Geschirr mit dem Goldrand das letzte Mal benutzt? Gefällt es überhaupt? Kann man Tante Ilse nicht anders in Erinnerung behalten?
- Macht es wirklich Spaß, das 3-geschossige Eigenheim und den großen Garten zu pflegen, wo nur noch zwei Leute dort wohnen? Wie wird das mit 70 oder 80+ gelingen? Eine „Augen-zu-Mentalität“ hilft hier nicht weiter.
- Will ich meine restliche Lebenszeit wirklich damit verbringen, möglichst viel zu arbeiten, damit ich möglichst viel kaufen kann? Wenn ja, warum? Gibt es vielleicht doch noch interessanteres, wichtigeres im Leben?
- Will ich mit dem, was ich besitze, irgendwen beeindrucken? Kann ich mich auch davon befreien?
- Kann ich evtl. die mit Dingen verbundenen gesellschaftlichen Konventionen hinterfragen und loslassen? Die Zeiten haben sich geändert, vieles wird heute nicht mehr erwartet, was früher durchaus noch üblich war.
Es gibt natürlich noch viel mehr Fragen, die man sich stellen kann. Es muss ja auch nicht gleich Minimalismus sein. Vielleicht einfach mal nur ein paar Ecken freiräumen, damit wieder mehr Luft ist. Beispielsweise einfach mal schauen, welche von den 30 Kugelschreibern überhaupt noch funktionieren. Alle defekten Stifte mal entsorgen – schon kann man sich wieder am Platz in der Schublade erfreuen.
Wenn Dinge keine Funktion mehr haben und auch keine Freude mehr bereiten, wird es Zeit, sich von solchen unerfreulichen und unnötigen Dingen zu verabschieden.
Es liegt mehr Zeit hinter mir, als vor mir
Mit meinen inzwischen 60 Jahren brauche ich keine Rechenkünste, um zu verstehen, dass mehr Lebenszeit hinter mir, als vor mir liegt. Ich möchte meine verfügbare Lebenszeit nicht vorrangig mit dem Verwalten meiner Dinge verbringen. Aufräumen und Putzorgien waren noch nie mein Ding. Heute geht sowas ruckzuck bei mir. Viel zum Abstauben ist ja nicht mehr da – juchuh! Technik, die ich nicht besitze, geht schonmal nicht kaputt. Wir leben ja auch im digitalen Zeitalter, da lässt sich einiges ohne jede Komforteinschränkung entrümpeln. Vieles ist heute digital auf kleinsten Geräten wie einem Smartphone verfügbar, für das man früher eine ganze Galerie von Gerätschaften benötigte. Mit weniger Dingen habe ich auch in einer kleinen Wohnung sehr viel Platz. Ich möchte nicht irgendwann im hohen Alter über meinen angesammelten Kram stolpern. Das hätte nämlich sehr viel gravierendere Folgen, als wenn mir dies mit Anfang 20 passiert wäre. Minimalismus ist so gesehen sogar gesundheitsförderlich.
Minimalismus ist und war für mich ein allmählicher Prozess. Es ist die immer wieder auftauchende Frage: Will ich das wirklich? Für mich ist es der Zeitfaktor, den ich besonders mag. Zeit ist für mich der wahre Luxus. Meine Zeit maximiere ich sehr gerne und das funktioniert mit dem Minimalisieren von Dingen besonders gut. Statt Shoppingtouren lieber einen Nachmittag auf meinem Balkon genießen. Das ist dann auch noch sehr viel umweltverträglicher, als unsere Umwelt erneut mit dem ganzen angesammelten und neuem Kram zu überfrachten. Die nachfolgenden Generationen werden ohnehin schon mit den Umweltsünden der Vergangenheit und Gegenwart belastet. Sie sollten sich dann möglichst nicht noch irgendwann mit meiner angesammelten Plunder-Nachlassenschaft auseinander setzen müssen. Auch das ist mir sehr wichtig.
Abschließend: Immer wieder aufs Neue beeindruckend: Margareta Magnusson (nach ihren eigenen Angaben „irgendwo zwischen 80 und 100 Jahren“) über ihr Leben mit weniger Dingen und mehr Lebensfreude beim Älterwerden:
Video – Margareta Magnusson discusses death cleaning
Ebf. beeindruckend: Anne Donath (inzwischen über 70 Jahre), die mit etwa Mitte 40 Jahren ihrem Leben eine völlig neue Richtung gegeben hat und bis heute sehr zufrieden damit ist. Hier Links zu zwei Videos:
Anne Donath – Entschleunigt leben und Leben auf 16 Quadratmetern
Zum Weiterlesen
- Minimalismus und das Älterwerden
- Älterwerden und die Sorge ums Hab und Gut
- Minimalismus und Älterwerden
- Minimalismus – einfach leben beim Älter werden
Ich habe das „aufheben“ von klein auf (60-er Jahre, Flüchtlingsfamilie!) so erlebt, dass man „das bestimmt noch mal brauchen kann“. Basteln, reparieren, improvisieren – irgendjemand wusste immer, wo sich das passende Teil befand. Also durchaus positiv, und Platz war genug da. Ich hebe auch z.B. im Herbst ein Stück Bindfaden auf, weil ich im nächsten Jahr damit die Tomaten anbinden kann. War eigentlich immer eine Selbstverständlichkeit, sparsam mit Ressourcen umzugehen, hoffe mal, dass das bald wieder „Mainstream“ wird.
Meine bewundernswerte Mutter hat als letzte der 6 Personen, die mal zusammen in unserem Haus wohnten, sich ein Jahr Zeit genommen, für fast alles eine neue Heimat zu finden, von Museum bis Flüchtlingshilfe. Brauchbares wegschmeißen tut weh! Übrig geblieben ist die Einrichtung für eine schöne 2-Zimmer-Wohnung. Und auch da hat sie in ihren letzten Jahren schon geplant und gefragt, welche Teile (Möbel, Geschirr) mal wo landen werden. Letzte Woche habe ich eine Autoladung davon zu mir geholt und einen Teil meines Hausrates ausgetauscht. Nützliche Dinge mit schönen Erinnerungen dran sind mir lieber als Dinge, die nur nützlich sind. Und die letzteren gehen demnächst auf den Flohmarkt und ins Sozialkaufhaus. Zusammen mit sonstigen überflüssigen Dingen, die in den letzten anderthalb Jahren aus bekanntem Grund nicht sinnvoll weitergegeben werden konnten und im Keller warten mussten.
Ich finde, das ist wirklich eine sehr vorbildliche Art und Weise, die persönlichen Dinge zu reduzieren.
Ich habe alte Schnürsenkel aufgehoben, die werden im Garten zum Anbinden verwendet. Ohne Garten wären sie aber entsorgt. Bloß nichts sammeln.
Die Frage ist immer: Kann ich dieses oder jenes Teil noch gebrauchen? Verwende ich es wirklich? Wenn nein, kommt es auch bei mir weg. Sonst ist man irgendwann wieder im alten Fahrwasser – bloß nicht.
Das ist jedes Mal eine Lotterie. Aber man wird sicherer mit der Zeit, oder ?!
Jetzt so langsam nach über 10 Jahren stellt sich bei mir ein besseres Gefühl dafür ein. Vielleicht die Sache mit der Übung und dem Meister… Und wenn man mal daneben liegt: Ok, überlebt man auch.
Genau, wenn ich weiß, wofür, heb ich es auf. (Sonst müsste ich mir neue Fädchen kaufen oder gar den unsäglichen kunststoffummantelten Draht, um die Tomaten anzubinden, um bei dem Beispiel zu bleiben.) Wie gesagt, es geht dabei auch um die Einsparung von Ressourcen.
Den Draht habe ich auch, aber ich würde ihn nicht mehr kaufen. Da rutscht doch was runter und ist dann im Boden. Im Zweifelsfall lieber Paket-Schnur
Oder sich mal davon befreien, Annette und sich fragen, wieso soll ich den alten Plunder noch umschichten, zwischenlagern … ? Die Sozialkaufhäuser werfen auch vieles weg. Spendenannahmen genauso. Weiß ich aus erster Hand. Bei mir muss es immer schnell gehen, wenn die Entrümpelungsenergie da ist.
Bitter ist es bestimmt, wenn man das Entrümpeln altersbedingt gar nicht mehr schafft. Und es sich nicht eingesteht. Da finde ich die Unterstützung, wie von Heinz, super.
Das stimmt natürlich – Sozialkaufhäuser und Kleiderkammern laufen über. Verschenken über die Kleinanzeigenportale im Internet funktioniert meistens noch recht gut. Im Zweifelsfall kann man ja auch zumindestens das Zeug vernünftig getrennt im Müll entsorgen.
Ich fürchte, man muss sich von der Vorstellung trennen, dass gespendete Dinge noch verwendet werden. Letztlich wissen die Organisationen, was sich noch verwerten lässt und was nicht. Die können auch nicht beliebig vorhalten und sammeln. Was einmal produziert wurde wird am Ende weggeworfen früher oder später. Also ein Grund mehr, weniger zu kaufen.
Nicht alles, was ich nicht mehr gebrauche, ist „alter Plunder“, und viele Sachen meiner Mutter auch nicht – sonst hätte ich sie nicht übernommen. Wegschmeißen kann ich durchaus, wenn es nicht mehr brauchbar ist. Das Sozialkaufhaus nimmt auch nur an, was sie brauchen/verkaufen können. Ich hab kein Problem damit, im Lauf der Zeit ein paar Kisten zu füllen und mich dann auf den Flohmarkt zu stellen – macht nämlich Freude, wenn ein anderer auf meinem Tisch was gefunden hat, was ihn oder sie glücklich macht.
Einfach sofort in die Tonne – das ist doch das Motto der Wegwerfgesellschaft, von dem ich mich gern getrennt habe!
Es gibt so viele verschiedene Lebenssituationen. Eine meiner Malkollegin ist eine rüstige, wirblige 83 Jährige. Sie wohnt seit langer Zeit alleine in einem sehr schönen und wunderbar gelegenem EFH mit grossem Garten. Sie lebt bescheiden von ihrer kleinen Rente, doch sie hat das Wohnrecht um gratis in dem Haus zu leben. Sie hat ein grosses Herz für Katzen und Vögel. Gerne motivierte ich sie ihre übergrosse Doppelgarage auszumisten. So machten wir anfangs nur grosse Haufen mit gleichartigen Dingen. Ca. 50 Weidekörbe, 80 Vasen,Übertöpfe, Untertöpfe, Einmachgläser, Werkzeuge für Garten und Hauswerkstatt alles weit verstreut, Katzenkörbe, Metallbehälter, Blechwaren, 20 Teigwallhölzer, Gartensprühmittel Sprühgeräte, Schneeketten, Autohebegeräte, Grillsachen , Partyzelt noch neu verpackt, Altholz,Holzkisten, Plastikeimer, 6 Katzenkörbe, alte Stiefel, Gartenschuhe, Malerwerkzeug, Splitt für Gartenplatten, und einiges mehr.
DANN: putzten wir alle Gestelle und Böden sauber, und füllten Dinge kompakt und sauber sortiert ein, was sie noch gebrauchen kann. Dann gab es saubere Stapel für Dinge zu verschenken, Dinge die ich verschenken konnte und ca 4 Autoladungen, Kombi, zum Entsorgen. Alle Holzsachen wurden zersägt für Ofenholz im Winter.
Das Resultat hat meine Freundin so gefreut – denn sie hatte einfach nicht den Mumm die Arbeit anzupacken, doch zu zweit war es ein wahrer Genuss von zwei Tagen Arbeit – also andere zum Aufräumen ermuntern macht alle glücklich.
Dein Beispiel zeigt, dass man gerade dann, wenn es extrem viele Dinge sind, die man besitzt und loslassen will, dann auch einfach ein wenig Unterstützung braucht. Das hat sich dann ja gerade zu zu einem besonderen, gemeinsamen Erlebnis entwickelt. Etliche Dinge abgegeben, neues, gemeinsames Leben hinzugewonnen.
Dieses „Nichtzuständigsein“ finde ich super. Wobei ich merke: Je älter ich werde – fast 50 – desto mehr strengt mich das Zuständigsein für Dinge, Beziehungen schon im Kopf an. Also nicht erst beim Tun.
Luxus: Ich lern seit ein paar Wochen jeden Tag eine Stunde Englisch und mehr. Ganz freiwillig. Hatte ich nicht in der Schule. Selbstwirksamkeit find ich super. Was Lebendiges. Statt passivem Konsum.
Liebe Grüße an Alle
Ich überlege, wie viele Menschen es wohl gibt, die so im Megakonsum drin stecken, dass sie diese Belastung, die damit verbunden ist, gar nicht mehr wirklich bemerken. Der kleine und kurze Dopaminkick beim Einkaufen, muss alles auffangen. Anstrengend sowas.
Nutzt du fürs Englisch-Lernen eine App? Sich selbst was im eigenen Tempo aneignen, finde ich sehr viel angenehmer, als diese Kurse, wo man einen Teil der Zeit immer sinnlos wartend rumsitzt.
Eine Audio Datei hatte ich zuerst durchgearbeitet, Gabi. Ich hab’s aber jetzt lieber per Buch. Den Grundwortschatz als Karteikartenkasten. Und Pons 5.-10. Klasse Grammatikübungen. Die Regeln schreib ich mir dann noch mal auf Karteikarten extra ab. Ich lerne eher beim Schreiben als über eine App. Bin halt stehengeblieben.😙 Und ich singe Englisch. Die armen Nachbarn.
👍 … wer singt, lernt doppelt 😉
Es klappt auch mit kurzen Sprüchen und Gedichten.
Рано утром я встаю
Früh am Morgen steh ich auf
Звонким голосом пою
singe mit klingender Stimme ( trällere )
….
oh, das ist gut.
Ich bin jetzt auch (fast) 50. Ich sehe die einzigen potentiellen Schwierigkeiten was den Minimalismus betrifft, in den eventuell mit dem Alter aufkommenden gesundheitlichen Aspekten. (Ich liebe meine Hängematte und die fehlende Notwendigkeit, ein Bett haben zu müssen – ich rechne aber leider nicht damit, dass ich bis zu meinem Lebensende in einer Hängematte werde schlafen können.)
In allen anderen Aspekten sehe ich nur Vorteile, wenn man im Alter weniger hat: Weniger putzen müssen, wenn das körperlich anstrengend wird. Nicht auf Hilfe bei Umzügen angewiesen sein. (Bzw. Bekannter mit PKW reicht, man braucht keine Spedition mit hohen Kosten und Planungsaufwand.)
Und vor allem natürlich der Aspekt, der in jedem Lebensalter einer Rolle spielt, aber im Alter ganz besonders: Mit dem physischen Ballast auch psychischen Ballast loszuwerden, solange man dafür noch die Energie hat.
Ich denke, beim Bereich Gesundheit beim Älterwerden ist es vorrangig dann ein Austausch von Dingen, nicht unbedingt ein mehr an Dingen. Aber das passiert ja auch nicht von jetzt auf gleich. Mit dem physischen auch den psychischen Ballast loslassen finde ich auch supergut. Das setzt ja auch einiges an Energien wieder frei.
Gerade die Generation 70+ hat doch so unendlich viele Sachen einfach deshalb, weil sie noch so aufgewachsen ist, dass man das haben muss (Sammeln durch eigene oder weitergegebene Nachkriegsangst) Und weil es Konvention ist, und/oder weil sich das im Laufe des langen Lebens alles angesammelt hat.
Das Maximalismus-Beispiel par excellence ist für mich die Wohnzimmerschrankwand meiner Eltern voller Gläser: Rotwein-, Weißwein-, Likör-, Altbier-, Weizen-, Branntwein-, Saft-, Sektgläser. Um nur ein paar zu nennen. Hat man in der Generation halt. (Es gehört auch zur Gastfreundschaftvorstellung, Gästen Alkohol anzubieten.)
Solche Gläsersets ist das, was man sich zu irgendwelchen Geburtstagen und Jubiläen gewünscht hat.
Oder das Festtagesgeschirr, das einmal in Jahr benutzt wird, war Teil der Aussteuer oder der Hochzeitswunschliste. So etwas kennt in der jüngeren Generation keiner mehr, hoffe ich.
Meine Mutter hat mich vor Jahren gefragt, ob ich eines der versilberten Bestecksets haben möchte, die sie besitzt. Ich glaube, da ist noch nie eines jemals von benutzt worden. Das war glaube ich mal eine Art Wertanlage oder als solche gedacht? Heute wollen das nicht einmal mehr Flohmarkthändler, weil sie wissen, sie werden das nicht los. Materialwert ist minimal und niemand braucht und will so etwas.
Diese Sammlung von Dingen, die du beschreibst, kommt mir doch auch noch sehr vertraut vor (zum Glück nicht im eigenen Haushalt). Ich finde es aktuell ohnehin ein spannendes Thema, dass man mit dem Loslassen einiger Dinge nicht nur die Dinge, sondern die damit verbundenen gesellschaftlichen Konventionen loslässt. Das betrifft die Generation 50+ vermutlich wirklich noch ein Stück mehr, als Jüngere, die hier oder da vermutlich eher verwundert staunen, von was da geredet wird. Wobei: früher Gläsersammlung und Silberbesteck, heute Smartphone, Laptop, Beamer, ausladend großer Fernseher, Markenkleidung etc.. Einige Gewohnheiten, Konventionen, ungeschriebene Regeln hinterfragen ist ein spannendes Thema und kann sehr befreiend sein.
Mir fällt da insb. bei den älteren Menschen, die als Kinder den Krieg erlebten noch ein Aspekt auf, der auch in einer Dokumentation des WDRs zwischendurch anklingt: Konsum aus Angst, Konsum als Verdrängung: Traumatisierte, ältere Menschen, die aufgrund ihrer schlimmen Erfahrungen vieles ansammeln: https://www.youtube.com/watch?v=2R1JZH7naqg
Sehr interessant diese Aspekte im Zusammenhang mit Überkonsum:
Ab Minuten 12:38 wird aus einem Altenheim berichtet, wie sich Menschen selbst bei warmen Wetter viel zu warm und in mehreren Schichten anziehen.
Ab Minute 15:20 eine Sequenz aus dem gleichen Altenheim, wo beschrieben wird, wie diese traumatisierten Menschen früher funktioniert haben, Einmachgläser etc. in Kellern gestapelt etc.
Ab Minute 29:45: Welche Auswirkung hat das auf die Kinder der Kriegskinder,also überwieg. die sog. Boomer-Generation: „…Warum müssen wir alles aufheben? … Eine äußerlich sichere Welt, aber keine Nähe…“
Hallo Gabi,
danke für den tollen Beitrag! An einer Stelle musste ich lachen: „Können die erwachsenen und längst ausgezogenen Kinder nicht endlich mal ihre restlichen Dinge abholen?“.
Das war bei uns auch so eine Sache. Ich habe das dann so gelöst, dass ich die Dinge zusammengesucht habe sie mit den Worten „Ich möchte nicht entscheiden, was du davon weg kann. Bitte nimm es jetzt mit und entscheide in Ruhe, was dir davon wichtig ist und was du weggeben möchtest.“ Das hat gut geklappt. Es war kein Ultimatum, aber eine klare Botschaft, die verstanden wurde.
Irgendwann habe ich schon mal geschrieben, dass ich 2 Häuser von Angehörigen ausgeräumt habe. Es war so unendlich viel Kram! Besonders hat mich gestört, dass die vielen Sachen auf dem Dachboden, in Kammern und im Keller so dreckig waren. Es hatte sich seit Jahrzehnten niemand mehr drum gekümmert. Ich denke, sie haben das Viel zu viel Haben verdrängt. Die, die es ausgeräumt haben, mussten es ausbaden.
So etwas will ich meinen Kindern nicht zumuten. Das ist für mich einer der Gründe, warum ich jede Neuanschaffung gründlich überdenke und nicht Benötigtes abgebe. Ich will den Überblick behalten.
Oh eine wunderbare Art, dass die Kinder wirklich ihre Sachen abholen. Keller oder Dachboden nenne ich auch gerne „Vorhof zum Recyclinghof“ Man holt es meistens eh nie wieder in die Wohnung. Also bevor man da was lagert, besser gleich weg geben.
Ich finde das wirklich ganz schlimm, wenn Angehörige endlos voll gerümpelte Häuser und Wohnungen von verstorbenen Verwandten leer räumen müssen – gerade in so einer Phase, wo jemand gestorben ist und man eh trauert. Ich verstehe jeden, der das – soweit wie möglich – von Profis erledigen lässt.
Statt „Vorhof zum Recyclinghof“ las ich „Vorhof zur Hölle“. Wer schon mal schon einmal Dachboden, Keller, Schuppen und Garagen von Angehörigen ausräumen musste, wird diesen Ausdruck verstehen.
Die 50+ Generation sollte sich bewusst machen, dass Gerümpel weder die schönen Zeiten zurückbringt, noch die Verstorbenen, die diese Dinge einmal benutzt haben.
Oh je „Vorhof zur Hölle“ – aber leider passt das mitunter ja sogar.
Je älter ich werde desto mehr ist es ein Deja vu, wie ich als junger Mensch gelebt habe. Fahrrad, Haus, Garten, Familie , Haustiere. Das wäre der Kern. Der ganze andere Kram drum herum …ich denke manchmal : Tür auf, Kram rauswerfen, Tür zu und gut ist. Aber das geht so nicht, Kram loswerden ist Buße für den ganzen Konsum, den man so lange mitgemacht hat ! Selbst schuld an dem Krempel, aber jetzt geläutert und gefestigt. Was lange Jahre gebraucht hat, dafür brauche ich auch Jahre um einiges wieder zurückzudrehen.
Es kommt kaum noch was in den Haushalt und das schon eine Weile. Kaputte Dinge wie Wäsche oder Elektrogeräte ( der Horror schlichtweg ! ) gehen auch früher oder später, das hilft.
Würdest du es wirklich einfach nur rauswerfen, käme vermutlich sehr schnell wieder neues Zeugs ins Haus. Das ist ja die Gefahr bei so Schnell-Entrümpelungsaktionen und so einigen Minimalismus-Challenges (soundso viel Teile in soundso viel Zeit). Wenn man sich mit seinem Zuviel wirklich gründlicher auseinandersetzt (wie du es ja machst), dann ist sozusagen der „Zurümpelungsmuskel“ einfach besser gestärkt – klarer Vorteil.
Das stimmt wohl. Ich kann nur in der Geschwindigkeit Zeug raus werfen, wie ich mich anpasse. Und dann fallen manche Dinge von selbst raus. Es dauert nur. Geduld ist angesagt und das Ergebnis gefällt mir immer mehr.
Ich reduziere meinen „Kram“ und mein Leben schon seit vielen Jahren, und ich werde immer freier. Ich habe „viel“ durch „wenig aber gute Qualität“ ersetzt. Und nach Jahrzehnten des Reisens durch die Welt, genieße ich jetzt die Heimat, in der ich mit meinem Hund wandere.
Jetzt bin ich 70 und habe beschlossen, in den nächsten 30 Jahren nur noch das zu tun, was mich glücklich macht 😉 Dazu gehört auch, dass ich mir gerne etwas gönne: ein gutes Essen in einem Gourmet-Restaurant oder ein Wochenende in einem Sternehotel. Minimalismus ist individuell und meiner Meinung nach völlig unabhängig vom Alter.
Oh das klingt wunderbar: glücklich sein statt Kramverwaltung
Im Januar haben wir die Wohnung unserer Eltern ausräumen müssen. Obwohl meine Eltern einfach gelebt haben wissen mein Bruder und ich, was wir geleistet haben. Es war ein Kraftakt. Ich möchte das meinem Sohn weitgehend ersparen. Ich bin 64+ und sortiere kontinuierlich aus. Es macht sogar Spaß. Mein komplettes Konsumverhalten hat sich geändert. Ich lebe gut so und vermisse nichts. Man wird achtsamer für Kleinigkeiten. Das Leben hat so viel zu bieten, ohne Geld, ohne Plunder. Natürlich ist das ein Weg, den jeder anders geht.
Danke für den Blog! Dank euch kann ich noch viel lernen.
Und auf diese Weise ersparst du ja nicht nur deinem Sohn künftig große Belastungen, sondern auch dir selbst hier und jetzt. Klares WIN-WIN.
Ich bin nun 58 und wenn ich überlege wie lange ich schon auf der Suche nach Harmonie auf vielen Ebenen bin,kann ich sagen das nicht das Mehr , sondern das gefühlsmäßig Richtige der entscheidende Weg ist.Das ist mir aber erst in den letzten Jahren bewusst geworden.Vielleicht weil es jetzt immer schwieriger wird alles in Ordnung zu halten oder Dinge keine wirkliche Befriedigung gegeben haben.Der Weg ist noch nicht zuende.Ich Frage mich immer wieder aufs neue,ob sich dieses oder jenes gut anfühlt,ob ich gerne bereit bin etwas auf mich zu nehmen oder nicht.
Mir geht es so, dass es einfach immer nervtötender wird, alles in Ordnung zu halten. Immer diese gleiche Leier vom Abstauben immer der gleichen Dinge, zum tausendsten Mal irgendwas wieder an seine Stelle zurück räumen, keinen Platz finde, weil alles vollgeräumt ist – als gäbe es nichts Schöneres.
Meinen erste Erfahrung mit dem Minimalismus habe ich mit Anfang dreißig gemacht, als ich feststellte, dass ich seit Jahren nicht mehr Flöte gespielt hatte. Nach einigem Nachdenken kam ich zu dem Schluss, dass ich wahrscheinlich nicht mehr spielen würde. Also verkaufte ich sie und jemand anders hatte (hoffentlich) seine Freude daran. Ich kann mich mit einem kleinen Lächeln an die Zeit des Spielens erinnern, aber diese Zeit hatte seinen Abschluss gefunden und es war gut, die Flöte nicht zu belastendem Gerümpel werden zu lassen. Seitdem gebe ich beizeiten weiter, was andere gebrauchen können, bei mir aber nicht mehr genutzt wird. (Und bin viel zurückhaltender bei Anschaffungen.)
Heute horte ich gute Erinnerungen, aber möglichst wenig Kram. Gute Erinnerungen (und einige Fotoalben) kann man später auch ins Altenheim mitnehmen. Die eigenen Besitztümer hingegen werden im Müllcontainer landen. Wozu Besitz also Jahrzehnte als Ballast mitschleppen, wenn sie nach Jahrzehnten der Aufbewahrung niemand mehr haben will?
Bei mir war es irgendwann das E-Piano, ich habe es auch abgegeben. Es macht Sinn, die Dinge weiter zu geben, wenn man sie noch gut sind, man sie selbst aber nicht mehr nutzt. Sonst werden diese einst geliebten Dinge zu unbequemen Mahnmalen. Irgendwann habe ich das E-Piano nur noch abgestaubt – wie schräg ist sowas.
„Deathcleaning“ kam mir auch in den Sinn, als ich das las. Alles sauber und ordentlich hinterlassen. Der letzte Umzug, oje! 45 Kisten reichten nicht. Es war nur Zeit zum Packen. Ich ließ mir Zeit mit Einräumen. Halbes Jahr. Dann nach weiteren 3 Jahren war ich „ankommen“. My hole is my castle. Dann die Wohnung streichen, ein Jahr drauf der Bodenleger. War ich stolz, daß alles in den Keller paßte. Kleidung, Bücher, Kleinmöbel usw.
Heute? Oje …. 🙄 Nein, es geht nicht darum, möglichst wenig zu besitzen, sondern möglichst viel, das ich brauche und gerne verwende Den Wok gab Frau Magnusson (?) weg, den Sohn, der nun gerne seine Familie bekocht. Mir gehts genauso. Ich brauch es nicht, habe schöne Erinnerungen daran, ein anderer freut sich darum. Der Wok (oder was anderes) will benutzt und geliebt werden.
Je älter ich werde, desto mehr weiß ich, was ich brauche. Gehts dir genauso?
Definitiv ja! Wobei es nicht am Alter alleine liegt (dann gäbe es ja weniger überrümpelte Haushalte), sondern an der Zeit, sich mit den persönlichen Bedürfnissen mehr auseinander zu setzen. Und mehr Unabhängigkeit von der Meinung anderer Menschen.