Minimalismus – wie unsinnig darf es sein?

Minimalismus in der Öffentlichkeit

Minimalismus ist in aller Munde. Und es gibt eine Reihe von Stilblüten, die mich doch immer wieder ein wenig verwundern.

Da wären die beiden Filme „My stuff“ und „100 Dinge“ in denen der bzw. die Protagonisten dann erstmal auf 0 Dinge reduzieren und nackt durch die Gegend rennen. Das ist für einige Menschen witzig, es ist aufmerksamkeitserregend. Mir haben die Einleitungen der Filme gereicht, um zu entscheiden, dass mich der Rest dann einfach nicht mehr interessiert. Aufsehenerregende Effekte motivieren mich einfach nicht genug.

Dann gibt es die Dokuvarianten, bei denen die Progragonisten immerhin Kleidung haben, aber weder Decke, noch Matratze zum Schlafen oder es dürfen nur maximal 100 Teile sein. Und irgendwo auf Youtube ein Teenie, der versucht, den Film „100 Dinge“ in einer Minimalismus-Challenge nachzuahmen, aber natürlich an solch einer selbstgewählten, unsinnigen Aufgabe schon in der ersten Nacht scheitert.

Dann hätten wir noch die zahlreichen Varianten, wo mit Kamera begleitet, Lippenstifte und Kleiderschränke entmüllt werden. Nicht selten sind es die Männer, die ihren optimiert-minimalistischen Lebensstil mit der sehr schicken Technikausstattung präsentieren, während sich einige Frauen unter dem Begriff „Minimalismus“ einen „Wolf putzen“ – natürlich unter Angabe und Verlinkung all des Deko- und Putzkrams, der zu sehen ist….

Gelegentlich wird Minimalismus auch mit puren Ausmisten und Entrümpeln verwechselt, obwohl es nur um Platz schaffen für den nächsten Kram geht.

Hin und wieder ist Minimalismus auch einfach nur ein Vehikel, um die eigene, ideale Selbstdarstellung im Internet zu präsentieren. Geht es um Minimalismus oder um maximale Klickraten und Aufmerksamkeit? Oder ist wirklich alles so ideal? Haben diese Menschen keine normalen Alltagshindernisse, keine Probleme, keine Hürden?

Die authentischere Auseinandersetzung mit Minimalismus

Zum Glück gibt es aber auch noch die Menschen, die sich sehr viel ehrlicher mit Minimalismus auseinandersetzen. Diejenigen, denen der eigene Kram einfach zu viel geworden ist, – diejenigen, die unsere Konsum- und Leistungsgesellschaft hinterfragen, – diejenigen, die sehen, dass unser Megakonsum unsere Lebensgrundlagen zerstört, – diejenigen, die einfach keine Lust mehr haben, ihre Wochenenden in Shoppingcentern zu verbringen oder in den Onlineshops zu stöbern. Manchmal war der Stress im Beruf ein Auslöser, manchmal ist es der Wunsch nach mehr Klarheit und einem reizreduzierten Raum, manchmal hat es gesundheitliche Gründe und fast immer ist es der Wunsch, zu mehr Lebensqualität zu finden. Bei den Minimalimus-Stammtischen geht es dann genau um solche Themen. Die ein oder anderen Youtuber und Blogger sind natürlich auch noch auf dieser ganz anderen Ebene im Bereich Minimalismus aktiv – das freut mich sehr.

 

Schau genau hin…

Warum ich die oben erwähnten Beispiele nicht verlinkt habe? Mach dir ein eigenes Bild. Schau genau hin, wenn du irgendwo irgendwas zu Minimalismus siehst oder hörst:

  • Wie ehrlich und inhaltlich sinnvoll sind die Aussagen?
  • Was spricht dich tatsächlich an?
  • Wo gibt es eine inhaltliche Aussage, die dich weiter bringt?
  • Was und wie viel ist vielleicht auch nur die Sucht nach vielen Klicks und Aufmerksamkeit?
  • Bei Bloggern, Video- und Audiopodcasts: Schau dir auch die anderen Beiträge an. Ist der Eindruck stimmig?
  • Was inspiriert dich wirklich?

 

Einen Link habe ich dann doch noch, mit Terminen für aktuell laufende Minimalismus-Stammtische. Wenn es keinen Stammtisch in der Nähe gibt: Gründe einfach selbst einen Minimalismus-Stammtisch.

http://www.minimalismus-stammtisch.de

runter Tisch, Arme von Mann und Frau gegenübersitzend, eine Kaffeetasse umfassend
Photo: Joshua Ness

 

6 thoughts on “Minimalismus – wie unsinnig darf es sein?

  1. Hallo Gabi, da kann ich dir fast uneingeschränkt recht geben. Bis auf den Film „My Stuff“. Ok, „100 Dinge“ habe ich auch nicht gesehen. Zu finden in der Kategorie ‚Komödie‘ sagt eigentlich schon alles.

    Wobei die Handlung grob ein ReMake von „My Stuff“ und nicht neu ist. [Ich assoziiere mal: Minimalismus = in/cool; ich will Geld verdienen; ich mache einen Film; ich springe auf den Minimalismus-Zug auf; ich habe keine eigene Idee; ich mache ein ReMake].

    Beim Minimalismus als Lebenseinstellung findet halt sehr viel im Kopf statt und lässt sich nur schwerlich in Bilder packen. Bei „My Stuff“ haben mir besonders die Gespräche mit seiner Oma gefallen. Der Film als Spiegel unserer Gesellschaft. Ich fand ihn gut.

    1. Ja, Minimalismus ist in vielen Bereichen ein innerer Prozess. Vielleicht ist es auch einfach sehr mühsam, solche Prozesse in Bilder und Geschichten zu packen. Wenn es gelänge, wäre das sicher spannend.

  2. Mit den von dir gezeigten Stilblüten wird eine an sich sehr vernünftige Bewegung ad absurdum geführt. Sehr zur Freude des Handels. Denn die können dann wenigstens etliche der diversen Minimalismus-CapsuleWardrobe-ZeroWaste-Ratgeber verkaufen.
    Wenn etwas zum Trend wird, wird es auch gleich vermarktet.
    LG
    Sabienes

    1. Clickbaits, Ersatzreligion, alles nur noch in weiß und grau bis man denkt es ist eine Szene aus der Schwarzwaldklinik in der Schwesternküche. Über jedem platzierten Stück ein Amazonlink. 20 Lippenstifte aussortiert, 10 noch vorhanden, zwei neue 2 „nachhaltig sozial eiwnandfreie“ angeboten. Kauft, kauft , kauft !

  3. Hallo Gabi, recht hast Du. Der einzige Maßstab sind wir selbst. Bei manchen Videos schalte ich auch gleich ab. Wenn es ausschließlich um Kosmetik oder Kleidung geht. Diese Probleme habe ich nicht und das sollen die Frauen gerne unter sich ausmachen.

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