Minimalismus – wen interessieren schon Sockenzählereien

Minimalismus – das Klischee

Immer wieder wird Minimalismus in Verbindung damit gebracht, dass Menschen in ihren leeren Wohnungen auf dem Fußboden sitzen, ihre Socken, T-Shirts und Tassen zählen und möglichst auch noch peinlich darauf achten, ob sie nun bloß nicht über die Summe von 100 Teilen kommen. Dabei war diese 100-Teile-Geschichte nur mal eine Aktion von Dave Bruno und er bezog sich nur auf seine persönlichen Dinge. All die von seiner Familien gemeinsam genutzten Dinge standen nicht auf seiner Liste und meines Wissens hat er sein Bücherregal dabei auch nicht mitgezählt…

Zählereien mag interessieren, wen es will. Mich nicht. Und die minimalistisch lebenden Menschen, die ich kenne, interessiert es meistens auch nicht. Die finden das eher lustig und manchmal sind sie auch genervt, weil dieses Minimalismus-Zähl-Klischee immer wieder sehr hartnäckig durch die Medien getrieben wird.

 

Minimalismus jenseits der Zählerei

Beim Minimalismus als Lebensstil geht es genau genommen um ganz andere Themen. Beispielsweise darum, nicht mehr im Teufelskreis von Arbeit und Konsum bis zur Atemlosigkeit zu rotieren, Lebensqualität jenseits der Shoppingmeilen zu finden, mehr Zeit für die Kinder zu haben, zur Ruhe zu kommen und vieles mehr. Unser Planet ächzt unter den Ausbeutungen und Belastungen, die wir ihm täglich zumuten. Wozu? Für wen? Für was?

 

Wie kurzsichtig ist unser Lebensstil geworden?

Kommen auf dem neuesten Hightech-Fernsehgerät qualitativ bessere Sendungen? Was hat ein annähernd normalsichtiger Mensch davon, wenn der TV-Bildschirm und damit auch die zu sehenden Figuren, etwas größer oder kleiner sind? Welchen Einfluss hat es ganz ernsthaft auf mein Wohlergehen, ob das T-Shirt nun gestreift oder unifarbenen ist? Warum um alles in der Welt ist es nötig, Unmengen an allen möglichen Krempel Zuhause zu lagern, ohne ihn überhaupt zu benutzen? Schaue ich mir wirklich die riesige DVD-Sammlung an? Lese ich all die Bücher noch? Und was ist eigentlich so spannend daran, sich morgens vor einem komplett überfüllten Kleiderschrank mit der Auswahl der passenden Kleidungsstücke herum zu quälen? Ich liege genau diese Zeit viel lieber länger im Bett.

 

Es gibt nichts, was ich tue, WEIL es minimalistisch ist

Mein Ausgangspunkt für einen minimalistischen Lebensstil war die Reduzierung von Stress. Ich habe mir lange Zeit keinerlei Gedanken um Minimalismus gemacht. Als Meditation und Achtsamkeit in meinen Alltag kamen, habe ich deutlicher gespürt, womit ich mich wohl fühle und habe erst dadurch entdeckt, dass es für meine bevorzugte Art zu leben, tatsächlich ein Wort gibt: Minimalismus. Dieser so vielfältige Lebensstil passt zu mir. Damit geht es mir gut. Mit weniger Dingen fühle ich mich freier. Wenn nicht viel rumsteht, bin ich mit dem Haushalt schneller fertig. Das, was ich nicht besitze, muss ich nicht aufräumen. Klimbim und Stehrümchen mochte ich darüber hinaus wirklich noch nie. 

 

Ich habe Spaß an Dingen

Minimalismus hat mich sehr viel pingeliger gemacht. Ich finde, Kaffee aus Pappbechern ist nicht nur ein Umweltdesaster, sondern schmeckt einfach nicht. Ich genieße es sehr, wenn ich den Proviant, den ich mit zur Arbeit nehme, nicht in irgendwelche Plastikboxen packen muss. Ich genieße meine wunderschönen und haltbaren Edelstahlboxen.

 

 

Ich habe nämlich Spaß an Dingen. Dazu muss ich diese Dinge aber nicht alle zählen. Es reicht mir, wenn ich sie einfach genießen kann. Ich brauche nicht Werbung, Meinungen, Trends, Lifestyle und was auch immer, um mir einsuggerieren lassen, was ich konsumieren und schön finden soll. Es ist mein minimalistischer Luxus, dies an meinen tatsächlichen Bedürfnissen auszurichten. Ich will nicht allen möglichen Krempel in die Wohnung lassen, nur weil dies in unserer Konsumgesellschaft so üblich ist. Dass meine Wohnung eher leer ist, empfinden andere Menschen vielleicht so, ich nicht. Meine Wohnung ist lediglich auf meinen ganz persönlichen Bedarf ausgerichtet. Es fühlt sich nämlich sehr gut an, immer besser differenzieren zu können, was Spontanwunsch, Kauflaune, Frustkauf und was wirkliches Bedürfnis ist. 

Wen interessieren schon langweilige Sockenzählereien. Es geht nicht um viele Dinge. Es geht auch nicht um wenig Dinge. Es geht ums Leben. Mein, dein und unser Leben und wie wir dieses Leben gestalten wollen.

 

 


 

8 thoughts on “Minimalismus – wen interessieren schon Sockenzählereien

  1. Hallo ihr, ich sehe das ähnlich. Ich hab immer noch zu viel, sodass es bei mir noch immer vorrangig um Reduktion von zu viel Quantität geht und qualitative Gesichtspunkte ausschließlich Neuanschaffungen betrifft, was es durchaus auch gibt, wobei es schon etwas seltsam anmutet, ein Buch zu kaufen, wo ich doch so viele verkaufte. Aber es war erschwinglich ubd beruflich passend, deshalb griff ich zu und bereue es nicht. Ich bereue auch nicht, früher so viele Bücher angeschafft zu haben. Sie haben mich weitergebracht und mein Neffe konnte sie größtenteils gutgehend verkaufen, womit ich ihn finanziell unterstützen konnte durch den Erlös, den er voll behalten durfte. Das hat auch seine Verkaufstalente gefördert. LG Evelyne

  2. Ich selbst bezeichne mich nicht als Minimalist, trotzdem hole ich mir gerne Tipps. Leider artet es in einer Facebook-Minimalistengruppe in einen Wettstreit aus. „Wie, du kaufst deine Seife im Laden statt sie selber herzustellen?“ Deswegen denke ich mir: Es ist mein Leben. Dafür gibt es keinen Oberbegriff und keiner sollte darüber urteilen dürfen. Letztlich tragen wir selbst die Verantwortung dafür, wie glücklich wir sind.

    1. Der Arbeitsaufwand, um Seife selbst herzustellen, ist ja auch nicht gerade minimalistisch ? . Anregungen finde ich immer klasse, aber Konkurrenzgehabe finde ich auch eher unminimalistisch.

  3. Ein guter Beitrag mit Substanz! Die Hauptsache ist doch, dass man sich wohlfühlt in seinem Leben. Minimalismus kann auch ausarten. Zum Beispiel dann, wenn ich mein einziges Paar Socken jeden Tag per Hand waschen muss. Da habe ich lieber mehrere Paare zu Hause und nutze meine Zeit besser ?

  4. Hallo, Gabi,
    wenn ich merke, es haben sich wieder Dinge angesammelt, sodass mich die Menge meiner Besitztümer belastet, starte ich gerne eine Herausforderung, indem ich versuche, eine gewisse Zeit mit einem besonders kleinen Grundstock an persönlichen Dingen auszukommen. Das mögen 50 sein oder 100, meist geht es mir mehr um die wirklich wichtigsten Dinge statt um die Anzahl. Kleidung ist dabei ausgenommen, in dem Bereich war ich schon immer minimalistisch. Leider neige ich nämlich u. a. zum Sicherheitsdenken und schaffe Dinge an, die in einer bestimmten Situation nützlich sein könnten. Oder ich kaufe Sachen, deren Besitz mich vermeintlich glücklicher machen sollte (wie ich mir einredete) als sie es taten oder nützlicher sein sollten als sie es waren. Dann schaue ich, ob sie mir wirklich fehlen. Oder ob das, wovon ich denke, ich könne nicht ohne es auskommen, nicht doch Alternativen hat. Danach kann ich es beruhigt abgeben.
    Denn es geht auch mir darum, ein Leben zu führen, das mich glücklich macht ohne Dinge, die mich davon abhalten. Doch so ein Zählen kann manchmal ganz nützlich sein als Krücke, um zu erfahren, welche Sachen einem wirklich wichtig sind.
    Liebe Grüße und ein schönes Wochenende,
    Aeris

    1. HalloAeris, auf dieem Hintergrund kann ich es verstehen und nachvollziehen. Zählen als Hilfe, das richtige Maß zu finden, aber eben auch nicht als Lebenssinn oder Wettbeweb.

  5. Ich teile absolut deine Meinung! Schrecklich Socken zu zählen, ich habe so viele das ich genug habe um nicht extra waschen zu müssen… Meiner Meinung nach ist das Zeitverschwendung. Manchmal frage ich mich, ob es bei vielen Minimalisten auch darum geht “Ich besitze weniger als du, deswegen bin ich der VIEL BESSERE Minimalist!“ Aber genau darum geht es meiner Meinung nach überhaupt nicht und ist nur anstrengend und unangenehm.

    1. Hallo Maren, ich finde auch, dass es Lebenszeitverschwendung ist, sich mit so einem Konkurrenzgehabe aufzuhalten. Aber ich glaube auch, dass es eher wenige Minimalisten sind, die den Aspekt „ich bin besser“ im Kopf haben. Es sind vermutlich nur die, die am meisten auffallen. Die meisten leben ja eher unspektakulär.

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