Minimalismus: Fülle des Lebens – statt voller Räume

Volle Kisten und Taschen – noch leere Wohnung

Die meisten meiner persönlichen Dinge sind verpackt. Ich schätze ca. 70%. Die neue Wohnung steht jetzt noch leer. Neulich war ich nochmal zum Ausmessen dort – wie wunderbar solch leere Räume aussehen können und wieviel Ruhe, Licht und Wärme eine Wohnung ausstrahlen kann. Nächste Woche bekomme ich meine Schlüssel und dann werden sich diese leeren Räume wieder schrittweise füllen, überfüllt sollen sie natürlich nicht sein.

Wenn ich mich in meinem jetzigen Zimmer umschaue stelle ich fest: Diesmal sind es also überhaupt keine normalen Umzugskartons geworden. 3 Pappkisten unterschiedlicher Größe, 1 Koffer, 1 Reisetasche, mehrere Taschen und Boxen. Diese Dinge werden einfach per Auto transportiert. Einige Dinge habe ich aktuell natürlich noch in Benutzung, von dem ein oder anderen habe ich mich bereits getrennt, das ein oder andere Möbelstück brauche ich noch. Einige vorhandene Möbelteile transportiert ein Umzugsunternehmen erst im Dezember – für mich alleine hätte es sich nicht gelohnt, die paar Möbel zu transportieren. Davon abgesehen, finde ich es auch spannend, einige Zeit einfach mal zu improvisieren. Kürzlich krachte dann noch einer meiner 1986 gekauften Stühle unwiderruflich zusammen. Ich hatte den leichtsinnigen Versuch unternommen, ihn auseinander schrauben zu wollen. Eigentlich hätte es funktionieren müssen, aber nach 30 Jahren geht eben doch nicht mehr alles – auch nicht bei Möbeln.

 

Wohlfühlen – Was ist viel und was ist wenig?

Bei der Überlegung, ob diese verpackten Dinge nun viel oder wenig sind, ob dies nun minimalistisch oder irgendwie doch maximalistisch ist, komme ich zu keinem wirklichen Ergebnis. Was viel oder wenig ist, ist doch sehr relativ. Ich denke in diesen Tagen der Umzugsvorbereitungen oft daran, wie sehr unsere Umwelt, unser Planet und Menschen in anderen Ländern unter unserem westlichen Lebensstil leiden. Auch gehen mir oft die vielen Flüchtlinge durch den Sinn, die kaum mehr als ihr eigenes Leben retten konnten und nur noch wenige, tragbare Dinge dabei haben. Dagegen sind meine Sachen und meine Entscheidungsfreiheit der pure Luxus. Die Auswahl der Dinge, die ich besitze und mitnehme, ist ohne jeden Druck und völlig freiwillig.

Ein wichtiges Kriterium ist für mich, dass ich schaue, mit wieviel Zeugs ich mich wohlfühlen kann. Durch meine Achtsamkeitspraxis der letzten Jahre bemerke ich, dass die Wahrnehmung und Entscheidung, wieviel bzw. wie wenig für mich gut ist, inzwischen deutlich geschärft ist. Ich unterscheide heute sehr viel genauer und besser zwischen meinen Wünschen und meinen wirklichen Bedürfnissen. Materielle Wünsche hatte ich zwischendurch viele, manche gaben sich in den letzten Wochen nahezu täglich ein fröhliches Stelldichein. Aber wirkliche materielle Bedürfnisse habe ich sehr viel weniger. Ein ganz entscheidender Unterschied, der mir früher nie so deutlich aufgefallen ist.

Natürlich ist mir bewusst, dass hierzulande die meisten Menschen sehr viel mehr Dinge besitzen als ich. Der ein oder andere Zeitgenosse mag vielleicht sogar denken, ich sei evt. ein armer Schlucker. Dabei bin ich das wirklich nicht – im Gegenteil, denn niemand zwingt mich so viel oder wenig Dinge zu besitzen. 10000 Dinge sollen es ja sein, die ein Durchschnitts-Europäer so hortet … mich würde nebenbei gesagt, ja mal interessieren, wer die gezählt hat und auf diese Zahl gekommen ist… Um es gleich zu sagen: ich habe meine Dinge nicht gezählt, ich werde sie auch nicht zählen. Es sind aber deutlich weniger. Allerdings auch mehr, als das sich hartnäckig haltende Vorurteil, dass Minimalisten nur 100 Teile haben. Wohlfühlen ist mir wichtiger. Minimalismus als Lebensstil lässt sich ohnehin nicht in Normen und Vorurteile einzwängen, schon gar nicht, wenn dabei auch Achtsamkeit eine Rolle spielt 😉

 

Wohlfühlen statt Räume füllen

Sich mit den Dingen wohlfühlen ist entscheidend. Ich möchte Freiraum haben und mich nicht zwischen dem ganzen angehäuften Zeugs durch die Wohnung schlängeln müssen. Statt vollgestopfter Räume interessiert mich dann doch eher die Fülle des Lebens selbst – und die ist nunmal unabhängig von der Menge an Kram.

 

Zum Weiterlesen:

5 thoughts on “Minimalismus: Fülle des Lebens – statt voller Räume

  1. Hallo Gabi,
    danke für den schönen Artikel. Ja, alles rausräumen und dann überlegen, was wieder rein soll, das ist auch ein guter Tipp. So haben wir Anfang des Jahres unser Arbeitszimmer neu gestaltet. Und es ist viel weniger wieder rein gekommen, als wir _vor_ dem Ausräumen gedacht hatten – auch das ein oder andere, von dem wir ganz sicher waren, es behalten zu wollen, blieb plötzlich doch draußen! Ganz ausräumen (inkl. aller Möbel, Teppich), ein oder zwei Tage lang leer wirken lassen und selektiv wieder einräumen lohnt!

    1. Hallo Andrea, diese Idee, einen Raum wirklich mal komplett leer zu räumen und sich nach 1 – 2 Tagen zu fragen, was wieder hinein darf und soll, finde ich einfach genial. Es fiel mir auch insbesondere während meiner Umzugsphase auf.

  2. Hallo Gabi!

    So ein Umzug ist wirklich ein Neustart. Ich habe vor kurzem Zimmer getauscht und das auch so empfunden und mich noch einmal gefragt, was soll da nun wirklich in meinem neuen Zimmer sein?

    Viele nachdenklich machende Gedanken, danke dafür!

    lg
    Maria

    1. Hallo Maria, ich denke auch, spätestens dann, wenn man sich selbst die Frage stellt „Was soll nun in das neue Zimmer bzw. die neue Wohnung wirklich hinein?“, dann wird es ein Neustart. Früher bin ich allerdings nicht auf diese Idee gekommen, mir genau diese Frage zu stellen. Genau genommen lässt sich diese Frage auch ohne Umzug stellen: Sofern ausreichend Zeit und Platz ist: Mal den ganzen Kram aus einem Zimmer hinaus räumen und genau überlegen, was wirklich wieder hinein soll.

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